Gabor Steingart
Zwischen allen Stühlen
Medienunternehmer Gabor Steingart, gerade erst vom "Spiegel" zerfetzt, legt sich mit den Chefredakteuren der Lokalzeitungen an. Das hat Methode: Ohne Provokation kommt Steingart offenbar nicht aus.
Auskunftsfreudig war Gabor Steingart im Interview mit der DJV-Zeitschrift journalist. Bereitwillig beantwortete er die Fragen der Redaktion. Kein Grund zu klagen also. Doch das dicke Ende kam, als ihm der Text zur Autorisierung geschickt wurde: Steingart frisierte das komplette Interview um, redigierte sogar einige der Fragen. Für die journalist-Redaktion war klar, dass das Interview nicht abgedruckt werden konnte. Stattdessen erschien es mit geschwärzten Antworten.
Das liegt ein Jahr zurück. Gelernt hat Gabor Steingart daraus offenbar nichts. Denn er lässt keine Gelegenheit aus, sich in Szene zu setzen. Dabei geht es ihm angeblich nicht um sich, sondern um die Erneuerung des Journalismus. Werbeträchtig lässt er dafür sein Schiff "Media Pioneer" in Berlin über die Spree tuckern, gern mit ausgewähltem Publikum an Bord. Und immer dann, wenn seine Redaktion einen Neuzugang vermeldet, wird eine solche Personalie von einigen Mediendiensten geradezu mit Schnappatmung herausposaunt. Als sei die Aufnahme in Steingarts Redaktionszirkel eine journalistische Heiligsprechung.
Glaubt man dem Spiegel, ist Steingarts Medienunternehmen ein Potemkinsches Dorf: viel Fassade, keine Substanz. Seitenweise hat ihn das Hamburger Nachrichtenmagazin in seiner aktuellen Ausgabe zerlegt. Sein Kommentar dazu: "Der Text ist eine Mischung aus Erfindungen, Gerüchten und Falschaussagen."
Doch damit nicht genug. In seinem Morning Briefing-Newsletter nahm er sich den Lokaljournalismus vor: "Guten Morgen, schon in meiner frühen Zeit als freier Mitarbeiter bei der Lokalzeitung hieß es: Du darfst bei uns alle kritisieren, den amerikanischen Präsidenten, die CIA und den Kreml, nur bitte nicht den Herrn Oberbürgermeister. Der Herr Oberbürgermeister der Hauptstadtpresse ist die Frau Bundeskanzlerin, weshalb der folgende Sachverhalt von ARD, ZDF und den überregionalen Zeitungen mit großer Diskretion behandelt wird."
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Sie reichten von "Kann ich aus meiner Zeit bei mehreren Lokalzeitungen nicht bestätigen" bis "Bei mir ruft jede Woche irgendein Bürgermeister an, um sich über die Kritik meiner Kollegen zu beschweren". Ein Redaktionsleiter fragte schließlich: "Herr Steingart, was für ein merkwürdiges Zerrbild malen Sie da von der regionalen Tageszeitung? Was soll das?"
Die Frage ist schnell beantwortet: Gabor Steingart geht es um das Skandälchen und um nichts anderes. Schade eigentlich. Gute Ideen und praktibale Vorschläge für einen besseren Journalismus sind willkommen, Show-Einlagen von Egoshootern jedoch höchst überflüssig.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner