Übergriffe
Zwei Jahre ermittelt
Der brutale Angriff von Vermummten auf ein ZDF-Team am 1. Mai 2020 hat für Entsetzen gesorgt. 26 Monate brauchten die Sicherheitsbehörden, um den Vorfall aufzuklären. Warum?
"Das war ein feiger und durch nichts zu rechtfertigender Überfall auf Journalisten, die ihrer Aufgabe der Berichterstattung nachgekommen sind. Ich hoffe, dass die Attacke gründlich aufgeklärt wird und die Täter juristisch zur Verantwortung gezogen werden.“ Mit diesen Worten nahm DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall am 1. Mai Stellung zu dem Angriff auf ein Kamerateam des ZDF, das am Nachmittag in Berlin-Mitte von Unbekannten angegriffen und dabei so schwer verletzt worden, dass vier Kollegen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Am Abend des folgenden Tags hieß es im Mediendienst turi2: "Nach dem Angriff auf ein Kamerateam der ,heute-show' am 1. Mai in Berlin sind die sechs Festgenommenen wieder frei, berichten dpa und ZDF. Ein Haftbefehl ist laut Generalstaatsanwaltschaft nicht erlassen worden."
Sechs Tatverdächtige, schnelle Ermittlungen, Freilassung. Alles deutete darauf hin, dass der brutale Überfall schnell geahndet werden könnte. Das war ein Trugschluss. Erst jetzt, 26 Monate und 10 Tage danach, steht für den Berliner Staatsschutz fest, dass es sich offenbar um ein Versehen der linksextremistischen Täter handelte: Sie hätten die ZDF-Kollegen mit politischen Gegnern verwechselt, schreibt die "Welt".
Wie kann dass sein? Warum brauchen die Ermittlungsbehörden mehr als zwei Jahre, um zu diesem Ergebnis zu kommen? Ist es nicht so wichtig, wenn mehrere Medienschaffende krankenhausreif geprügelt werden? Die lange Ermittlungszeit passt ins Bild der polizeilichen Ermittlungen, wenn Journalisten Strafanzeige wegen Hassmails und Beleidigungen stellen: Die Verfahren werden meist eingestellt, weil sich entweder die Täter nicht ermitteln lassen oder weil schlimmste Pöbeleien angeblich von der Meinungsfreiheit gedeckt seien.
Es wird Zeit, dass die Ermittler die Pressefreiheit und die Journalisten endlich ernst nehmen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner