Meinungsfreiheit
Zu viele Grenzen überschritten
Die "Zeit" langt mit einem Pro und Contra-Stück daneben, die Satirezeitschrift "Titanic" mit ihrer Überspitzung erst recht. Eine Mediendiskussion auf dem Rücken Ertrinkender.
Das Flüchtlingsthema gehört in diesen Wochen zu den drängendsten der Republik. Vor allem wohl deshalb, weil die Uneinigkeit der Unionsparteien über ihre Flüchtlingspolitik die Regierung zu sprengen droht. Aber auch, weil kaum ein Tag ohne neue Horrormeldungen vom Mittelmeer vergeht. Flüchtlinge ertrinken oder geraten in Seenot, Rettungsschiffe von NGO's versuchen Leben zu retten.Das unwürdige Schauspiel, das die Regierungen von Italien und Malta mit dem Flüchtlingsschiff Lifeline und seinen mehr als 200 Schiffbrüchigen an Bord aufgeführt haben, hat die Debatten befeuert, ob solche Rettungsaktionen politisch opportun sind. Unabhängig vom eigenen Standpunkt ist das ein Thema für Journalisten, über das berichtet werden muss. Das hat die Wochenzeitung "Die Zeit" in ihrer aktuellen Ausgabe auch gemacht: prominent auf Seite 3 platziert, als Pro und Contra-Stück in bekannter Zeit-Tradition. Und wie so oft bei solchen Geschichten mit zwei Standpunkten hat die Zeit eine Fragezeichen-Überschrift gewählt. Auf dass sich der Leser sein eigenes Urteil bilden möge.Das hat er auch getan, aber ganz anders und vor allem viel heftiger, als die Zeit dachte. Der Twitter-Hashtag #FragenwiedieZeit spiegelt das wider. Andere Medien berichteten darüber, unter anderem der Deutschlandfunk: "Entsetzen über die Zeit", hieß es da in der Überschrift. Den Aufschrei musste die Satire-Zeitschrift Titanic noch toppen: "Zeit"-Mitarbeiter auf offener Straße erschießen? Pro und Contra."Geht's noch? Da ersaufen im Mittelmeer täglich Menschen, die Armut und Unterdrückung in ihren Heimatländern entkommen wollen. Hierzulande entspinnt ein Blatt eine akademische Diskussion über das Für und Wider von Humanität. Und unter dem Deckmantel der Satire wird ein kaum verdeckter Mordaufruf in die Welt gesetzt. Es gibt Mediendiskussionen, die müssen nicht geführt werden.Ein Kommentar von Hendrik Zörner