Hundekot-Attacke
Zu viel des Guten
Die Berichterstattung über die Hundekot-Attacke vom Wochenende kippt gerade. Jede kommunikative Pirouette, die der Hannoveraner Ballettchef dreht, wird berichtet. Wie es dabei dem Opfer geht, scheint kaum zu interessieren.
Erst war nachzulesen, dass er auch nicht so genau wisse, was da über ihn gekommen war, dann hieß es, Ballettchef Marco Goecke entschuldige sich bei Kulturkritikerin Wiebke Hüster. Und seitdem kann die deutsche Öffentlichkeit in sehr vielen Medien nachlesen, warum Goeckes Entschuldigung in Wahrheit eine Rechtfertigung ist.
Ja, schön, das alles gehört zur vollständigen Berichterstattung über die Hundekot-Attacke dazu. Ebenso wie die klaren Worte von FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube: "Er erzählt uns die Künstlerlegende vom sensiblen Schöpfer, der von unsensibler Kritik so lange gejagt wurde, bis ihm der Kragen platzte. Dem und nicht der Bitte um Entschuldigung gilt seine Presseerklärung."
Was darüber zu kurz kommt, ist die Sicht des Opfers. Kunstkritikerin Wiebke Hüster wird nur kurz damit erwähnt, dass sie sich beschmutzt gefühlt und umgehend Anzeige wegen Körperverletzung und Beleidigung erstattet habe. Dem NDR sagte sie: "Ich war in Schockstarre." Nur auf Stern.de und bei der NOZ gibt es seit gestern hinter Bezahlschranken ein längeres Interview mit ihr.
Die Folge: Alle Welt redet über den Ballettchef, den bis dahin außerhalb der Kulturszene niemand kannte, und über dessen Befindlichkeiten. Und da, wo es besonders intellektuell zugeht, wird die Frage in den Mittelpunkt gerückt, wie weit Kulturkritik gehen darf.
Dass der Schwerpunkt der Berichterstattung auf dem Täter liegt, wirft Fragen nach der Relevanzgewichtung in manchen Redaktionen auf. Das ist verzichtbar.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner