Journalistenstreik
Zeit zum Träumen
taz-Redakteurin Shoko Bethke hat ein interessantes Gedankenspiel aufgeschrieben: Was wäre, wenn alle Journalistinnen und Journalisten drei Tage am Stück streiken würden? Ja, was wäre dann wohl?
Shoko Bethke hat die Situation vieler Journalisten richtig beschrieben: unterbezahlt und frustriert. Letzteres nicht nur wegen des geringen Einkommens, sondern auch weil ihnen nicht die Wertschätzung entgegengebracht wird, die sie sich erhoffen. Und gerade die Freien haben immer größere Probleme, ihre laufenden Kosten aus journalistischem Einkommen zu bestreiten. Das Frustpotential ist also hoch, warum nicht mal drei Tage lang die Arbeit niederlegen? Damit der Journalistenstreik wirksam ist, müssten natürlich alle mitmachen: von den Zeitungsjournalisten bis zum Rundfunk. Die Folgen: "Gerüchte und gezielte Falschinformationen kursieren und lösen Angst aus. Warum fährt die Bahn nicht? Ist es Streik? Stromknappheit? Ein Unfall? Oder gar ein terroristischer Angriff?" Und weiter schreibt sie: "Nach drei Tagen Leere warten Menschen, die nicht pseudojournalistischen Seiten aufgesessen sind, gierig vor dem Fernseher auf Nachrichten, plündern Zeitungsständer und treiben die Klickzahlen auf Nachrichtenseiten in Rekordhöhen."
Schön wär's, will man als gestandener Gewerkschafter ausrufen. Wenn es wirklich gelänge, alle Kolleginnen und Kollegen drei Tage lang zum Nichtstun zu verpflichten, ließe sich bei den Medienarbeitgebern verdammt viel erreichen. Zum Beispiel höhere Honorare für alle Freien, die auch von allen Medienunternehmen gezahlt werden. Oder die Einbeziehung der Onlinejournalisten in die geltenden Tarifverträge. Oder mehr Planstellen in Lokalredaktionen, die selbstverständlich allesamt nach Tarif bezahlt werden.
Manche Träume sind so schön, dass man gar nicht aufwachen will. Warum das ein Traum bleiben muss? Weil jeder Journalistenstreik bisher gezeigt hat, dass es vel zu viele Streikbrecher gibt. Weil so viele Medienunternehmen nicht mehr an Tarifverträge gebunden sind, dass Arbeitskämpfe immer schwieriger zu führen sind. Und weil in den Printredaktionen zu viel Stehsatz in den Computern liegt.
Was bleibt da übrig? Gezielte und punktuell geführte Arbeitskämpfe ohne lange Ankündigungen im voraus, wie in den letzten Monaten bei einigen öffentlich-rechtlichen Sendern. Das haben die Zuschauer und Hörer mitbekommen. Und immer dann wird es für die Arbeitgeber unangenehm.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner