Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Internationale Konferenz zur Sicherheit von Journalist:innen

„Worten müssen Taten folgen!“

20.12.2022

10 Jahre sind es nun, seit der „UN Plan of Action on the Safety of Journalists and the Issue of Impunity“ ins Leben gerufen wurde. 10 Jahre, in denen etwas passiert ist, aber noch viel zu wenig. In zehn Jahren kamen nicht nur viele Journalist:innen ums Leben oder attackiert, sondern auch die Straffreiheit der Täter ist immer noch ein immenses Problem. Der Ukraine-Krieg, die Pandemie, die großen Online-Plattformen haben dafür gesorgt, dass Hass, Anfeindungen und Gewalt verschiedenster Art tagtäglich geschehen. Die Gefahr für Medienschaffende ist fast immer präsent. Nicht nur weit entfernt in Krisengebieten, sondern auch in Europa.

„Wir brauchen einen nationalen Schutzmantel“

Am 3. und 4. November veranstaltete das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Österreichs in Zusammenarbeit mit der UNESCO und dem Office des UN High Commissioner for Human Rights (OHCHR) die Konferenz "Safety of Journalists: Protecting media to protect democracy“. Zwei Tage lang diskutierten in Wien rund 400 Journalist:innen, Vertreter:innen hochrangiger Agenturen und Organisationen und Politiker:innen aus aller Welt über dieses so immens wichtige Thema. Das Ziel: Über das, was in den letzten zehn Jahren bereits erreicht und gelernt wurde zu diskutieren und den UN-Aktionsplan für das nächste Jahrzehnt mit der gemeinsamen Kraft aller Beteiligten zu stärken, zu justieren neu und zu positionieren.

"Wir brauchen einen nationalen Schutzmechanismus für Journalisten. In jedem Land. Wir brauchen Zivilcourage und konkrete Strategien“, fordert Nada al-Nashif, stellvertretende UN-Menschenrechtskommissarin gleich zu Beginn. 75 Journalist:innen sind 2022 allein bis September bei der Ausübung ihres Berufs ums Leben bekommen. „In einer Zeit, in der die Welt unvorhersehbaren Herausforderungen gegenübersteht, brauchen wir Journalist:innen mehr denn je. Um die Fakten zu ermitteln, denen wir gegenüberstehen“, sagt sie weiter.

Genderspezifische Angriffe nehmen enorm zu

Übrigens werden neun von zehn Fällen, in denen Journalist:innen getötet werden, nicht aufgeklärt oder bleiben zumindest unbestraft. Auch dagegen muss dringend mehr getan werden. Da sind sich die Anwesenden einig. Die Online-Bedrohungen, die in den letzten zehn Jahren um ein Vielfaches gestiegen sind, sind selbstverständlich ebenfalls ein Thema. Vor allem genderspezifische Angriffe sind dramatisch in die Höhe gegangen. Das ist auch das Topic eines der verschiedenen Workshops. Was online startet, wird oft zur offline-Gewalt. Die Korrelation ist mittlerweile belegt. In einem weiteren Workshop, der geleitet wird von der Präsidentin der Internationalen Journalisten-Föderation Dominique Pradalie, geht es um Arbeitsbedingungen. Was wir brauchen, ist physikalische, digitale und mentale Sicherheit als fundamentale Voraussetzungen dafür, unsere Arbeit machen zu können.

„Wir müssen schneller reagieren“

In verschiedenen Diskussionen kommt auch immer wieder zur Sprache, wie wichtig es ist, das Thema Sicherheit für Journalist:innen in die Ausbildung von Richter:innen, Staatsanwält:innen und Polizeikräften einfließen zu lassen. UN-Menschenrechtschef Volker Türk betont darüber hinaus die Notwendigkeit, mit Regierungen, Militär und auch den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, um sie dabei zu unterstützen, ihren Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechtsnormen nachzukommen.

„Wir müssen lernen, Gefahren besser vorherzusehen und schneller reagieren. Wir müssen scheinbar unverfängliche Gesetze erkennen und die Ausweitung der Überwachungsinstrumente als Warnzeichen erkennen“, sagt er weiter.

„Gleichgültigkeit ist die tödlichste Waffe“

Eine stärkere Unterstützung für unabhängige Medien und Journalist:innen im Exil fordert schließlich der Friedensnobelpreisträger von 2021, Dmitri Muratow. Er kündigt die Gründung eines Fonds für genau diese Zwecke an, der im Namen seiner 2006 ermordeten Kollegin Anna Politkowskaja errichtet werden soll.

„Gleichgültigkeit ist die tödlichste Waffe“, sagt Melissa Fleming, Leiterin der Hauptabteilung für Globale Kommunikation der Vereinten Nationen. Sie kritisiert das toxische Umfeld von Informationen. „Wenn Journalist:innen attackiert werden, leidet auch die Gesellschaft“, sagt sie weiter.

100 Millionen Dollar für Projekte zur Sicherheit von Journalist:innen

Ein weiteres Resultat der Konferenz: Die Veröffentlichung einer politischen Erklärung, die von 53 Ländern unterzeichnet wurde. Darin eine Verpflichtung zur Verbesserung des Schutzes von Journalist:innen und zur Stärkung der Medienfreiheit. Zu finden ist sie unter bit.ly/3uLkdyo. Hinzu kommt, dass über 40 Staaten zugesagt haben, über 100 Millionen Dollar für Projekte, die diese beiden Vorhaben unterstützen.

Der deutsche politische Vertreter vor Ort ist der Staatsminister im Auswärtigen Amt Dr. Tobias Lindner. Er weist auf die  annah-Arendt-Initiative zum Schutz von Journalist:innen hin (https://bit.ly/3j04Wr1) und betont die Wichtigkeit des Fact Checkings und, dass freier Journalismus „entscheidend für das Rückgrat der Demokratie“ ist. IJF-Präsidentin Dominique Pradalie sagt auf dem Abschlusspanel, dass wir uns des Mangels an Sicherheit nun lange bewusst sind und endlich einen Schritt weiter gehen müssen. „Worten müssen Taten folgen“, so ihr Appell. In dem Zusammenhang sei erwähnt, dass die IFJ eine „International convention on the safety and independence of journalists and other media professionals” (https://bit.ly/2FnnzNP) erstellt hat.

Journalismus als Gegenmittel für den Tod von Fakten

Zwei Tage voller wertvoller Beiträge, Gespräche und Erkenntnisse. Mit vielen wichtigen Fazits. Fest steht: In den nächsten zehn Jahren wird es viele weitere Herausforderungen geben. Online-Angriffe, geschlechtsspezifische Attacken, die Bekämpfung der Straflosigkeit und auch die immer noch fehlende Transparenz von Internetplattformen stehen oben auf der Agenda.

„Journalisten decken Themen auf, die andere lieber verborgen halten würden. Sie graben in den tiefsten, dunkelsten Löchern, suchen nach Informationen - und entwirren sie. Sie sind ein Gegenmittel für den Tod von Fakten“, so Volker Türk.

Ein Beitrag von Ute Korinth, freie Journalistin und Vorsitzende des DJV-Fachausschuss Online-Journalismus

Internationales Freie DJV-Freie DJV-Medienpolitik
Medienpolitik Freie Journalisten Newsmeldung Internationales

Weitere Artikel im DJV-Blog

Politik-Influencer Musk
Politik-Influencer Musk

19.12.2024

Das hat uns gerade noch gefehlt

In Großbritannien mischt sich Multimilliardär Elon Musk Berichten zufolge massiv in die Innenpolitik ein. Im deutschen Bundestagswahlkampf hat er sich auch schon bemerkbar gemacht.

Mehr
Wahlrunden
Wahlrunden

18.12.2024

Wer mit wem?

Um die Wahlrunden der Spitzenpolitiker in ARD und ZDF gibt es heftigen Streit. Die Grünen sind auf der Zinne und die AfD auch. Die Auseinandersetzung geht intensiv weiter.

Mehr
Getötete Journalisten
Getötete Journalisten

13.12.2024

Wie viele sind es denn?

Je nach Medienorganisation klaffen die Zahlen getöteter Journalisten deutlich auseinander. Das schadet dem berechtigten Anliegen, für mehr Schutz zu sorgen.

Mehr
Voice of America
Voice of America

12.12.2024

Lügnerin als Wahrheitschefin

Ausgerechnet die Wahlleugnerin Kari Lake soll neue Chefin des US-Auslandssenders Voice of America werden. Das ist so überflüssig wie ein Kropf.

Mehr
Austin Tice
Austin Tice

10.12.2024

Lasst ihn frei!

Der freie Journalist Austin Tice sitzt seit 12 Jahren in syrischer Haft. Höchste Zeit, dass er frei kommt.

Mehr
Bundespressekonferenz
Bundespressekonferenz

06.12.2024

Hape Kerkeling begnadigt

Die Bundespressekonferenz macht Entertainer Hape Kerkeling ein besonderes Geschenk zu dessen 60. Geburtstag: Das Hausverbot gegen ihn wird aufgehoben. Ob er bald in Berlin vorbeikommt?

Mehr
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz

05.12.2024

Dämme schon gebrochen?

Im öffentlch-rechtlichen Rundfunk wird darüber gestritten, ob journalistische Inhalte den KI-Programmierern überlassen werden sollen. Und in Print-Redaktionen breiten sich die Roboter heimlich, still  …

Mehr
Jagdopfer Lindner?
Jagdopfer Lindner?

03.12.2024

Medienschelte geht immer

Ist FDP-Chef Christian Lindner ein Opfer der Medien? Diesen Eindruck vermittelt Gabor Steingart, Gründer von The Pioneer und Herausgeber von Steingarts Morning Briefing. Die Medien seien im Blutrausch …

Mehr
ARD-Programm
ARD-Programm

02.12.2024

Werbung fürs Klima

Damit das Klima einen festen Platz im ARD-Programm bekommt, will der Verein "Klima vor acht" jetzt einen Werbeplatz kaufen - ein Armutszeugnis für die öffentlich-rechtlichen Programmmacher.

Mehr
"Kolumnistin" Alice Weidel
"Kolumnistin" Alice Weidel

29.11.2024

Deckel und Topf

AfD-Chefin Alice Weidel wird Kolumnistin der Weltwoche. Politisch passen sie und der Chefredakteur des Schweizer Blattes bestens zusammen.

Mehr
Israel
Israel

26.11.2024

Pressefreiheit? Kann weg

Nach Al Dschasira und Associated Press hat jetzt erstmals ein israelisches Medium Probleme mit der Regierung Netanyahu: Die Zeitung Haaretz soll weder Anzeigen noch Informationen bekommen. Wieder ein  …

Mehr
Orange Day
Orange Day

25.11.2024

Medien müssen hinsehen

Am heutigen Orange Day, dem Internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen, wird viel über das Thema geschrieben und gesendet. Und wenn der Aktionstag vorüber ist? Wir Journalisten dürfen nicht zur …

Mehr
Kennzeichnungen
Kennzeichnungen

20.11.2024

Werbung ist Werbung

Warum kennzeichnen Zeitungen und Zeitschriften kommerzielle Angebote nicht durchweg als "Werbung"? Stattdessen wird immer häufiger gern von "Verlagsangeboten" geschrieben - und dabei übersehen, dass d …

Mehr
Trump und die Presse
Trump und die Presse

15.11.2024

Zieht euch warm an

Alle vier Jahre grüßt das Murmeltier. Oder Donald Trump. Wer hätte gedacht, dass der Ex-US-Präsident noch einmal als Kandidat antreten wird? Und wer hätte gedacht, dass dieser Kandidat die Wahl gewinn …

Mehr
Koalitions-Aus
Koalitions-Aus

07.11.2024

Ende zur Unzeit

Das Ende der Ampelkoalition kommt für uns Journalisten zur Unzeit. Wichtige Gesetzesvorhaben liegen jetzt wieder auf Eis. Das Nachsehen hat die Qualität des Journalismus.

Mehr
US-Wahl
US-Wahl

05.11.2024

Despotie zum zweiten?

Heute entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA darüber, wer für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus einzieht. Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab - auch für die Journalistinnen und Journali …

Mehr
Wahlen
Wahlen

01.11.2024

Wie gut wir es doch haben

In den USA tobt wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl eine mediale Schlammschlacht. CNN und Fox News überbieten sich gegenseitig mit Polemiken über Kamala Harries und Donald Trump. Und in der Öffen …

Mehr
Journalistenbefragung
Journalistenbefragung

30.10.2024

So sind wir wirklich

Eine großangelegte Studie zum Journalismus in Deutschland hat die TU Dortmund durchgeführt. Rechtsextreme versuchen bereits, daraus Honig zu saugen.

Mehr
US-Wahlempfehlungen
US-Wahlempfehlungen

29.10.2024

Wo die Erde bebt

Weil die Washington Post auf Geheiß von Eigentümer Jeff Bezos keine Wahlempfehlung vor der US-Präsidentschaftswahl abgibt, laufen ihr die Abonnenten in Scharen davon. Der erste spektakuläre Fall, bei  …

Mehr
Ministerpräsidentenkonferenz
Ministerpräsidentenkonferenz

28.10.2024

In die Büsche geschlagen

Die Ministerpräsidenten haben mit ihren Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem eines gezeigt: dass sie kein medienpolitisches Rückgrat haben. Blamabel.

Mehr