US-Klage
Wo Springer ein Problem hat
Um die angeblichen Sex-Affären des geschassten BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt war es ruhig geworden. Das ändert sich gerade: Eine Ex-Geliebte von Reichelt hat in den USA Klage gegen Axel Springer eingereicht.
Ausgerechnet die USA. Das Land, dessen Gerichte zuweilen drastische Strafen wegen sexueller Übergriffigkeiten verhängen. Das Land, in dem Verstöße gegen gängige Moralvorstellungen Aktienkurse ins Wanken bringen können. Hier hat laut dem Fachdienst Medieninsider eine ehemalige Geliebte des früheren BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt Klage gegen Axel Springer eingereicht. 132 Seiten ist die Klageschrift dick, 38 Seiten davon füllen allein die Anschuldigungen. Der Kern sind Rechtsverstöße in 11 Punkten, darunter sexuelle Belästigung, Vergeltungsmaßnahmen, Beihilfe zur Belästigung, Diskriminierung sowie der Vorwurf, nichts dagegen unternommen zu haben.
Warum die Klägerin mehr als ein Jahr nach Abschluss des Compliance-Verfahrens gegen Springer vorgeht, ist nicht bekannt. Ob sie nachhaltig enttäuscht und verletzt ist oder ob sie in den USA Kasse machen will? Wenn sie mit ihren Anschuldigungen Recht hat, ist der jetzt eingeschlagene Weg absolut nachvollziehbar. Denn andere Springer-Mitarbeiterinnen, die sich von Reichelt ebenfalls sexuell bedrängt und ausgenutzt fühlten, aber großen Wert auf Anonymität legten, waren mit dem Umgang des Medienunternehmens mit den Vorwürfen alles andere als zufrieden. Mit dem Abgang von Julian Reichelt schien für Springer die Welt wieder halbwegs in Ordnung zu sein.
Mit der lieben Ordnung ist jetzt Schluss. Denn die bloße Nachricht der Klage in den USA stört die Expansion von Springer, reagiert man doch in Amerika in solchen Fällen empfindlich. Und wieviel der Konzern für eine mögliche Niederlage vor Gericht zurücklegen muss, ist noch völlig offen. Es kann teuer werden.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner