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Lokaljournalismus

Wir brauchen keine Gängelung

09.12.2021

Verleger Dirk Ippen hatte das Ergebnis einer Recherche seines Investigativ-Teams nicht in seiner Zeitung lesen wollen: Im Oktober stoppte er Enthüllungen über Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Leider kein Einzelfall.

Das Netzwerk Correctiv.Lokal veröffentlicht nun einen Beitrag mit der Überschrift "So beeinflussen Verleger die Berichterstattung im Lokaljournalismus" - eine traurige Schlagzeile. Denn gerade jetzt braucht es einen starken, glaubwürdigen Lokaljournalismus in Deutschland.
In Pandemiezeiten ist die Nachfrage nach lokalem Qualitätsjournalismus gestiegen. Das Publikum giert geradezu nach dem Stoff, den vor allem die Redaktionen in den Regionen liefern: verlässliche Informationen mit belastbarem Nutzerwert im Alltag. Wo kann ich mich testen lassen, wie komme ich an die Booster-Impfung? Lokaljournalist:innen liefern Antworten, trennen Fakten von Falschnachrichten. Und sie schauen den Mächtigen auf die Finger, im Rathaus und im Landratsamt genauso wie in der örtlichen Unternehmenswelt.
Die wichtigste Währung für Lokaljournalist:innen ist dabei Vertrauen. Sie sind nah dran an den Leser:innen und Nutzer:innen. Man kennt die Frau und den Mann "von der Zeitung". Redaktionelle Unabhängigkeit ist ein hohes Gut. Dass es laut Correctiv.lokal offenbar nicht wenige Verleger:innen gibt, die dennoch meinen, in redaktionelle Entscheidungen eingreifen zu müssen, erschreckt.
Jene Verleger:innen, die meinen, selber die besseren Chefredakteur:innen zu sein, sägen an dem Ast, auf dem sie selbst sitzen. Vertrauen ist Basis ihres Geschäftsmodells. Es ist die harte Währung, die ihren langfristigen Bestand sichert. Wenn Verleger:innen durch Eingriffe in die redaktionelle Unabhängigkeit dieses hart erarbeitete Vertrauenskapital aufs Spiel setzen, nur um kurzfristige unternehmenspolitische - oder in einigen Fällen ganz persönliche - Ziele zu erreichen, gefährden sie am langen Ende die Existenz ihrer Verlage. Damit aber auch journalistische Arbeitsplätze und die Sicherung der gesellschaftlich wichtigen Aufgabe, qualitativ hochwertigen Lokaljournalismus flächendeckend anzubieten.
Solch kurzsichtiges Handeln wird Tausenden Lokaljournalist:innen nicht gerecht. Es ist aber auch eine Missachtung der Leser:innen. Dass das Problem laut Correctiv.lokal-Recherche sich vor allem dort zeigt, wo Verleger:innen eine Doppelrolle als Geschäftsleitung und Chefredaktion wahrnehmen, lässt aufhorchen. Es gibt gute Gründe, diese Rollen zu trennen. Es wird sich zeigen, ob die betroffenen Häuser im eigenen Interesse sich als wandlungsfähig erweisen. Gut, dass Correctiv.lokal den Scheinwerfer auf diese Frage richtet und damit auch den Druck erhöht, dass nun Antworten geliefert werden.
Lokaljournalist:innen brauchen die Rückendeckung und Unterstützung der Verleger:innen, keine Gängelung. Im Gegenzug erarbeiten sie das Vertrauen, auf dem die Erfolge der Verlage gründen. Damit unabhängig davon die wichtige Aufgabe der Versorgung mit journalistischen Angeboten in der Fläche weiter gewährleistet werden kann, hat auch den DJV-Verbandstag beschäftigt. Dort wurde die Debatte um gemeinnützigen Journalismus ebenso vorangetrieben wie die Frage um die Finanzierung von Journalismus als gesellschaftliche Aufgabe. Die Causa Ippen ist Beweis dafür, dass wir am Thema dran bleiben müssen.
Ein Kommentar von Mika Beuster

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