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Türkische Twitter-Zensur

Wie wär's mit Katzenvideos?

29.07.2020

Nachdem er Print- und Onlinemedien sowie den Rundfunk an die Kandarre genommen hat, will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan jetzt die sozialen Medien zügeln. Angeblich wurden er und seine Familie beleidigt.

Ein Hort der Pressefreiheit war die Türkei nie, eine westliche Demokratie auch nicht. Aber die Medien waren relativ frei, Journalisten konnten recherchieren und veröffentlichen, ohne staatliche Verfolgung befürchten zu müssen. Dann kam Recep Tayyip Erdogan, der sich mit jedem weiteren Jahr an der Macht immer stärker zum Autokraten entwickelte. Und mit der Niederschlagung des Militärputsches machte er auch kurzen Prozess mit allen Medien und Journalisten, die ihm nicht wohlgesonnen waren. Zeitweise saßen mehr als 100 Berichterstatter in türkischen Gefängnissen, darunter so bekannte Kollegen wie der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel.
Seit Yücels Freilassung, die nur auf massiven diplomatischen Druck hin zustande kam, ist es ruhig geworden um die Lage der Journalisten. Verbessert hat sie sich jedoch nicht. Wie denn auch? Erdogans repressive Politik ist die gleiche geblieben, er sitzt nach wie vor als Präsident fest im Sattel. Zeit also für den nächsten Schlag, mag er sich gedacht haben, als jetzt seine Partei AKP mit ihrer Mehrheit im türkischen Parlament ein neues Gesetz über soziale Medien verabschiedete. Es verpflichtet unter anderem Plattformen mit mehr als einer Million türkischen Nutzern täglich dazu, Niederlassungen in der Türkei mit einem türkischen Staatsbürger als Vertreter zu eröffnen. Anbieter müssen zudem innerhalb von 48 Stunden auf Anfragen zur Aufhebung oder Änderung bestimmter Inhalte reagieren. Kommen sie den Regelungen nicht nach, drohen hohe Geldstrafen und Einschränkungen der Dienste im Land. Beleidigungen, Belästigungen und Beschimpfungen durch soziale Medien sollen, so begründen AKP-Politiker das Gesetz, beendet werden.
Dass wahrscheinlich mehr dahinter steckt als nur Sanktionen solcher Postings, die auch in Demokratien unter Strafe stehen, ließ Erdogan höchstselbst durchblicken. Die sozialen Netzwerke verbreiteten Unmoral, sagte er. Was folgt daraus für Twitter, Facebook, Youtube & Co.? Wenn sie Ärger vermeiden wollen, sollten sie Katzenvideos und Jubeltweets verbreiten, in denen der große Führer Erdogan gepriesen wird.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner

Europa Internationales Social Media DJV-Blog

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