Zwangsfusion
Wie demokratisch ist das, Herr Selenskyj?
Der ukrainische Präsident hat ein Dekret unterzeichnet, das die Zusammenlegung aller Fernsehsender vorschreibt. Damit solle eine einheitliche Informationspolitik betrieben werden, heißt es zur Begründung. Rundfunkfreiheit sieht anders aus.
Kaum eine Rede, in der der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht betont, dass sein Land für den Erhalt der Demokratie kämpft. Sein immer wieder bemühter Schulterschluss mit Europa meint auch den Schulterschluss mit den Grundwerten der Europäischen Union bilden.
Einer davon ist die Presse- und Meinungsfreiheit, ohne die eine Demokratie nicht denkbar ist. Doch damit steht es in der Ukraine nicht gut, man kann auch sagen: schlecht. Und das war schon vor dem Überfall der Russen auf das Land am 24. Februar so. Platz 97 von 180 nimmt die Ukraine auf der Rangliste der Pressefreiheit ein, die Reporter ohne Grenzen regelmäßig erstellt.
Gut möglich, dass das Land in dem Ranking noch weiter abrutscht. Denn am Wochenende hat Selenskyj ein Dekret unterschrieben, das die Zusammenlegung aller Fernsehsender vorsieht. Der Zweck: eine einheitliche Informationspolitik, heißt es. Man kann es auch Zensur nennen. Hat es die Ukraine nötig, den Medien im russischen Bombenhagel vorzuschreiben, wie berichtet werden soll?
Der einzige Lichtblick: In dem Dekret wird die Fusion in einen Zusammenhang mit dem Kriegsrecht gestellt. Und es ist kein Zeitpunkt genannt, wann die Bestimmung in Kraft treten soll.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner