Frankreich
Wenn der Staatsanwalt klingelt
Das franzöische Investigativportal Mediapart hat Ärger mit den Ermittlungsbehörden: Wegen der Veröffentlichung brisanter Kontakte soll das Portal durchsucht werden. Was hierzulande nicht mehr möglich ist, kann sich der Staat in Frankreich nach wie vor erlauben.
Die Erinnerungen an Redaktionsdurchsuchungen sind bei uns noch nicht verblasst. Immer dann, wenn ein Medium aus Insiderinformationen kritische Berichterstattung formte, lief es Gefahr, dass Polizeibeamte Büros und Wohnungen von Journalisten durchsuchten. Gegen die Berichterstattung ließ sich nichts ausrichten, das juristische Vehikel war der Verdacht auf Verrat von Geschäftsgeheimnissen. Die Folge: Arbeitsabläufe von Redaktionen wurden behindert, Whistleblower massiv verunsichert. Es dauerte lange, bis das Bundesverfassungsgericht mit seinem Cicero-Urteil diese Praxis für unrechtmäßig erklärte. Seitdem herrscht Ruhe.Von einem Urteil wie im Fall Cicero können kritische Medien in Frankreich nur träumen. Zum Beispiel das Investigativportal Mediapart. Weil es kürzlich brisante Kontakte auf höchster politischer Ebene öffentlich machte, droht dem Portal jetzt eine Durchsuchung. Um sie zu verhindern, hat der Chefredakteur einen Teil des Materials den Ermittlern übergeben. Ob das ausreicht, ist noch offen.Theoretisch gilt auch in Frankreich der Quellenschutz. Aber eben nur theoretisch. Denn wenn das öffentliche Interesse es verlangt, können Sicherheitskräfte anrücken und Redaktionsräume auf den Kopf stellen. Und wer oder was das öffentliche Interesse ist, definiert im Zweifel der Staat. Für Journalisten ein schwieriges Pflaster.Ein Kommentar von Hendrik Zörner