Umweltberichterstattung
Wenn der Germane durchs Unterholz hoppelt
Zwischen mythologischer Waldverherrlichung und futuristischem Klimaoptimismus polarisiert die Berichterstattung über Windkraftanlagen in vier deutschen Leitmedien. Das fand eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung heraus.
An Windkraftanlagen scheiden sich in Deutschland die Geister: hier die einen, die in den gigantischen Rotorblättern den Ansatz zur Bewältigung der Klimakrise sehen, da die anderen, die das Ende des deutschen Kulturguts Wald befürchten. Dazwischen gibt es nichts - zumindest nicht in den Leitmedien FAZ, Welt, Spiegel und Süddeutsche Zeitung. Das fand jetzt eine Studie im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung heraus. Titel des Arbeitspapiers: "Vom Winde verdeht?". Studienautorin und Kulturwissenschaftlerin Georgiana Banita von der Universität Bamberg identifizierte einen "Krieg der Werte". Die Stiftung schreibt: "Es haben sich zwei 'Lager' herausgebildet: Auf der einen Seite jene, die einen Erhalt heimatlicher Natur und Kultur betonen und das Thema zuweilen in einen nationalistischen Diskurs überführen. Dem gegenüber stehen Befürworter*innen der Wind-Wende, die sich für den Klimaschutz einsetzen und dem technologischen Fortschritt optimistisch begegnen.“ Die medialen Windkraftgegner beschwören häufig einen "germanischen Kult des Waldes" als "organisch schöne Seelenlandschaft", die durch die Windenergie gebeutelt wird, mit dem Ziel, Stimmung gegen den Bau von Windrädern zu schüren. Windkraftfreundliche Berichte diskutieren hingegen nüchterner den Stellenwert des Waldes als Kohlenstoffspeicher und Klimastabilisator und rahmen Windräder als futuristische Konstruktionen.
Nun kann man als Journalist durchaus eine der beiden Positionen vertreten und publizieren - in Kommentaren. Aber auch in Berichten? Und dann auch noch in so auflagenstarken Leitmedien wie den vier Blättern, die die Studie ins Visier genommen hat? Eher nicht. Besonders bedenklich ist, dass in der Berichterstattung die jeweils andere Seite kaum zu Wort kam. Recherche und journalistische Sorgfalt sehen anders aus.
Liebe Kollegen, mehr Sachlichkeit tut Not, auch und gerade beim Thema Klimakrise. Die Leserinnen und Leser sind sehr wohl in der Lage, sich ihre eigene Meinung zu bilden. Vermeintliche Alternativlosigkeit wollen sie nicht von uns Journalisten vorgebetet bekommen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner