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Sportjournalismus und Corona

Was nützt der Fußball in Gedanken?

14.04.2020

Von der Corona-Krise sind alle Ressorts betroffen. Aber keines wirkt derzeit so inhaltsleer wie der Sport. Warum das so ist, darüber hat sich der Journalistenschüler an der Axel-Springer-Akademie und Mitglied des DJV-Bundesvorstandes Philipp Blanke Gedanken gemacht.

Um es vorweg zu nehmen: Ich bin kein Sportjournalist. So wie es sogenannte U-Boot-Christen gibt, die nur selten im Jahr, nämlich an Ostern und Weihnachten in der Kirche auftauchen, bin ich vielleicht ein U-Boot-Sportinteressierter, der vorrangig zu Welt- und Europameisterschaften oder zu den Olympischen Spielen ein gewisses Sportinteresse entwickelt – absoluter Amateur-Sportbeobachter, aber vielleicht betrachte ich deshalb die Professionellen auch aus einem anderen Blickwinkel.

Ein Mit-Volontär aus meinem Jahrgang ist Sportjournalist und sportbegeistert mit Leib und Seele. Wir sind befreundet, er ist einer der gelassensten Menschen, die ich kenne. Aber bei diesem Artikel aus der taz ging ihm der Hut hoch. Den ganzen Tag über debattierten wir via Messenger und Sprachnachrichten über Sportjournalismus in Zeiten von Corona.

Sportjournalismus, das heißt bis auf ganz wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel den Deutschlandfunk, Berichte, Analysen, Hintergründe und vor allem Live-Berichte zum Thema Fußball. Weit über 85 Prozent der deutschen Sportberichterstattung in Deutschland befasst sich damit. Und: Sportjournalismus ist zum überwiegenden Teil Event- und damit Terminberichterstattung. Was tun, wenn die Events wegfallen? Was nützen Fußballspiele in Gedanken? Sportjournalisten mussten sich immer wieder anhören, sie seien Fans mit einem Presseausweis statt einer Dauerkarte, und in Zeiten, in denen jeder Club und jeder Sportler seine Eigendarstellung über Social Media nahezu komplett selbst in den Händen hält, verlängerter und von Tag zu Tag weniger nötiger Arm der PR-Abteilung des Clubs/der Marke/des Sportlers etc. Das ist sicherlich übertrieben und tut den Kolleginnen und Kollegen unrecht. Der oft geäußerte Vorwurf, dass gerade im Sportjournalismus aber doch zu viele gut sein lassen, teils im wahrsten Sinne des Wortes nur auf den rollenden Ball zu starren, ist, so scheint es mir zumindest, nicht völlig aus der Luft gegriffen. In Zeiten, in denen kein Ball rollt, können die Sportjournalisten diese Vorwürfe und Vorurteile entkräften, zeigen, was sie können und dass es sie verdammt nochmal braucht. Je unabhängiger ein Journalist von einem Termin ist, desto besser – gerade im Sport. Einem Hajo Seppelt zum Beispiel gingen wohl kaum die wichtigen Themen und Geschichten aus, nur weil kein Spiel oder Wettkampf stattfindet.

Denn während Politik und Wirtschaftsthemen auch in Zeiten von Corona weiterlaufen und täglich neue Aspekte aufkommen, ist nahezu jede Sportgeschichte derzeit gefühlt entweder ein Platzhalter im Programmschema (Stichwort: alte Spiele aus längst vergangenen Zeiten im TV) oder ein Vorgriff auf das, was möglicherweise sein wird, wenn endlich wieder gespielt werden kann. So wie andere Ressorts auch behilft sich der Sportjournalismus derzeit oft mit Home Stories. Das ist völlig legitim. Aber wäre nicht viel mehr möglich? Gerade das Fernsehen, sonst oberster Profiteur und für die meisten erste Anlaufstelle bei Berichten über Sport, trifft der Wegfall von Sportereignissen jeglicher Art besonders hart. Manche Sportmoderatoren wirken ein wenig wie Polizisten, die vor einer leeren Botschaft Wache schieben. Eine fast kafkaeske Situation. Was nützen die Kuriere, wenn sie keine Botschaften zu überbringen haben?

Sicher lassen sich auch hier Seiten und Sendezeit füllen: Home Stories, ausführlichere Interviews, Transfer-News, Spekulationen. Dasselbe wie auch in den spielfreien Zeiten. In dieser Corona unterworfenen Zeit zeigt sich: Der Sportjournalismus hat nicht nur immer vor allem auf das Erfolgspferd Fußball gesetzt, sondern scheint auch in seinen Darstellungsformen und Abläufen plötzlich seltsam limitiert. Besonders im Fernsehen.

Aman hätte viel mehr, viel bessere und viel aktuellere Langbeiträge und Dokumentationen bereit liegen haben können oder sollen. Das politische Geschehen wird fast routinemäßig innerhalb kurzer Zeit und in fest etablierten Formaten in oft hochwertige und aktuelle Doku-Formate gegossen. Beim Sport ist das weit weniger üblich. Warum eigentlich? Meint man, es wäre unnötig oder gäbe kein Publikum? 

Es ist bezeichnend, dass es diverse aufwändige und sehenswerte Kinofilme über Sport und Sportereignisse gab und gibt, auch in jüngster Zeit wieder (Das Wunder von Bern, Trautmann, Blind Side – Die große Chance, Die Kunst zu gewinnen – Moneyball, etc.). Sport-Dokumentationen kommen jedoch vergleichsweise selten vor. Im Sportjournalismus fehlen zeitlose Langformate. Beiträge auf Halde sind hier weniger üblich als anderswo.

Der Sportjournalismus teilt die Krise mit dem Sport, die Symbiose trifft offen zu Tage. Aber genauso, wie es dem Breitensport, insbesondere dem Fußball gut anstünde, Demut zu lernen, wie es die "Zeit" kürzlich auf den Punkt brachte, so wäre es sicherlich nicht schlecht, wenn der Sportjournalismus ebenfalls einige Lehren aus der Krise zöge: Fußball ist nicht alles, das ist vielleicht die Wichtigste. Und neue Formate und Darstellungsformen braucht es. Wenn dann eines Tages mal wieder ein überraschender und unübersehbarer Zeitraum kommen sollte, wo kein Ball rollt und kein Sport stattfindet, wird auch nicht eine ganze Profession wirken wie im wahrsten Sinne des Wortes auf dem falschen Fuß erwischt. Ein Kommentar von Philipp Blanke

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