Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Reform

Was haben die Freien vom neuen Urhebervertragsrecht?

21.03.2016

Keine Auskunft, kein Rücktritt, keine wirksamen Vergütungsregeln und weniger Rechte an Beiträgen

Das Urheberrecht ist für freie Journalisten so eine Sache. Für viele, die sich in erster Linie als Journalisten* definieren und deswegen spannenden Geschichten hinterher jagen möchten, gehört es zu den eher lästigen Begleiterscheinungen des Berufs wie die Sozialversicherung oder Steuerfragen. Manche fragen sogar erstaunt, warum sie sich ernsthaft um das Thema kümmern sollen, sie würden doch keine Bücher verfassen. Oft werden diese Kollegen dann erst wach, wenn ihnen umfangreiche Vertragsbedingungen ihrer Auftraggeber zugeschickt werden, nach denen sie sämtliche Beiträge an ihren Beiträgen für alle möglichen Nutzungen und alle Zeiten abtreten sollen.

Wer Texte oder Fotos an Medien liefert, „verkauft“ seine geistigen Inhalte nicht einfach, sondern räumt hieran Rechte zur Nutzung der Beiträge ein. So will es das Recht. Der Verfasser gilt als Urheber und soll über Umfang und Art der Nutzung mitbestimmen können. Geregelt ist das im Urheberrechtsgesetz, geschaffen unter tatkräftiger Mitwirkung des DJV in den sechziger Jahren.

Wer seine Beiträge an verschiedene Kunden liefert, muss deswegen darauf achten, dass der Kunde keine kompletten Rechte erhält. Auch wenn verschiedene Freie mit eigenen Nutzungsbestimmungen arbeiten, bestehen Medienhäuser meist auf der Akzeptanz ihrer Geschäftsbedingungen, mit denen die Einräumung aller Rechte festgeschrieben werden soll. Oft genug geschieht das dann auch zu lächerlich geringen Honoraren. Mangels anderer Auftraggeber müssen die Freien diese Bedingungen dann akzeptieren, wenn sie weiter als Journalisten arbeiten wollen.

Um den Urhebern in dieser Situation zu helfen, hat der Gesetzgeber nach intensivem Lobbying der Urheberverbände, darunter der DJV, im Jahr 2002 das so genannte Urhebervertragsrecht reformiert. Das Gesetz sieht seitdem vor, dass Urheber einen Anspruch auf ein angemessenes Honorar haben. Sie können daher eine Anpassung der Vergütung verlangen, wenn die Honorierung als unangemessen erscheint. Darüber hinaus können Verbände von Urhebern mit den Vereinigungen der Verwerter Vereinbarungen treffen, in denen geregelt wird, was als angemessenes Honorar erscheint. Gerichte müssen solche Vergütungsregeln als Maßstab akzeptieren.

Die Zahl der Vergütungsregeln ist seit 2002 jedoch übersichtlich geblieben, weil der Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht zwingend ist. Während bei den Tageszeitungen ein Abschluss für Texte im Jahr 2010 erfolgte, war er im Bereich Fotos erst 2013 möglich. An vielen Zeitungen werden die Bestimmungen zudem nicht eingehalten. Immer wieder klagen Bildjournalisten mit Hilfe des DJV auf Nachzahlung und erhalten dadurch zum Teil enorme Nachzahlungen – zuletzt in einem Fall rund 80.000 Euro. Allerdings sind sie, sobald sie die Klage erheben, die Arbeit los. An Zeitschriften wird sogar seit über einem Jahrzehnt verhandelt, ohne Ergebnis. Was also tun?

Das Urhebervertragsrecht war gut gemeint, sorgt in vielen Fällen aber nicht für eine Verbesserung der Situation. Daher die Forderung der in der Initiative Urheberrecht zusammengeschlossenen Verbände nach einer weiteren Reform. Dies fand insbesondere bei der SPD Anklang, durch die eine entsprechende Reform im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde.

Der Entwurf des von der SPD geführten Justizministeriums Ende 2015 war vom Anspruch getragen, die Situation der Urheber zu verbessern. Leichtere Möglichkeiten, Auskunft über erfolgte Nutzungen zu erhalten, aus bestehenden Verträgen per Rücktritt auszusteigen oder beispielsweise der Grundsatz, dass jede Nutzung eines Beitrags gesondert zu vergüten sei. Weiterhin das Recht von Verbänden, die Verwendung unfairer Vertragsbedingungen untersagen zu lassen, wenn ein Auftraggeber Mitglied einer Vereinigung ist, von der Vergütungsregeln abgeschlossen wurden.

Nur auf den ersten Blick waren diese Bedingungen für Verlage und Sender „hart“. In Wirklichkeit war die Intention der Regelung, die Motivation für den Abschluss zu Vergütungsvereinbarungen zu erhöhen. Denn die scheinbar „harten“ Regelungen konnten durch Vergütungsregeln wieder anders geregelt werden – eine gute Motivation für die Verwerter, gemeinsam mit den Urhebern zu verhandeln, ganz anders als derzeit. Dennoch fehlte es bereits in diesem Entwurf an wichtigen Punkten, etwa zur Frage, wie Verbände gegen unfaire Bedingungen von Verlagshäusern vorgehen können, die nicht in Verbänden organisiert sind.

Die Medienhäuser reagierten auf die im Kern moderaten Reformvorschläge mit großem Sturm, ganz wie 2002, wo sogar kurz vor der Verabschiedung Laufbänder der Reformgegner im Privatfernseher über Sendungen gelegt wurden mit der Parole: „Diese Serie wird mit dem neuen Urheberrecht nicht mehr finanzierbar sein“. Dieses Mal reagierten sie mit Konferenzen und Druck beim Koalitionspartner CDU/CSU sowie den von diesen Parteien geführten Ministerien.

Der jetzt vom Bundeskabinett verabschiedete Regierungsentwurf für die Reform verändert den Regierungsentwurf in vielen Punkten:

Nunmehr soll nicht mehr gelten, dass „jede Nutzung“ zu vergüten ist. Die Häufigkeit der Vergütung soll nur noch in der Gesamtbetrachtung der Frage der Angemessenheit eine gewisse Rolle spielen. Daher wird in den § 32 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz das Wort „Häufigkeit“ gesteckt, so dass dieser nunmehr lautet:

(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.

Kritisch formuliert: Die Häufigkeit ist jetzt Teil eines definitorischen Kaugummis und wird daher nur noch eine sehr begrenzte Bedeutung haben. Eine gesonderte Behandlung dieses Themas im Gesetz wäre erheblich stärker gewesen.

Der Auskunftsanspruch gilt nicht mehr für Werke, die in einem Gesamtwerk nur eine untergeordnete Bedeutung haben, er darf außerdem abgelehnt werden, wenn die Auskunft unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde. Es ist zu vermuten, dass ein Verlag in Zukunft argumentieren wird, dass ein einzelnes Foto im „Gesamtwerk“ Zeitung oder Zeitschrift nur als untergeordnet einzustufen ist. Zudem wird hier voraussichtlich auch erfolgreich mit der Unverhältnismäßigkeit des Aufwands argumentiert werden angesichts der Zahl der täglich in Redaktionen verwendeten Beiträge.

Ein Rücktrittsrecht von Verträgen soll erst nach zehn Jahren möglich sein, und selbst dann verbleibt dem Medienhaus ein Recht am Beitrag. Wer aber möchte Buchrechte erwerben, wenn klar ist, dass der bisherige Verlag das Buch ebenfalls weiter nutzen kann? Die Herausgabe eines identischen Werks könnte zudem dem Buchhandelsrecht widersprechen, das nur am Rande.

Nun produzieren Freie eigentlich seltener Bücher, sondern Beiträge, die nach zehn Jahren nur in seltenen Fällen noch wirklich verwertbar sind, Fotografien ausgenommen. Für freie Journalisten ist daher relevanter eine erneute Sonderregelung, in der es um die bereits erwähnten „untergeordneten Beiträge“ geht, die in einem Gesamtwerk erscheinen. Als solche werden voraussichtlich einzelne Fotos oder Beiträge innerhalb einer Zeitung oder Zeitschrift gelten, unter Umständen auch 2:30-Fernsehberichte für TV-Produktionen. Für solche Beiträge soll gelten, dass hier die Einräumung von ausschließlichen Rechten auch über zehn Jahre hinaus zulässig ist.

Die Regelung des Rücktrittsrechts kommt für den Regelfall der Produktion von freien Journalisten also gar nicht mehr zur Anwendung. Durch diese Änderung wird der ursprüngliche Regierungsentwurf „verschlimmbessert“, weil damit erstmals im Gesetz explizit festgehalten wird, dass sich Verlage die Rechte an Beiträgen freier Journalisten (und andere „untergeordneter Urheberbeiträge“) auch für weit über zehn Jahre mit Ausschließlichkeitsklausel besorgen dürfen.

Durch diese Änderungen fehlt es jetzt an jeder Regelung, mit der bei Medienhäusern irgendein Druck besteht, für die Verwendung der Beiträge freier Journalisten Vergütungsregeln abzuschließen. Ganz im Gegenteil wird ihnen die Anwendung von Langzeit-Knebelverträgen einfacher gemacht, und Auskunft müssen sie im Regelfall auch nicht mehr geben.

Weiterhin gibt es keine Regelung für die Frage, wie Verbände gegenüber solchen Verwertern agieren können, die gar nicht erst Mitglied eines Verbandes werden und mit Vertragsbedingungen arbeiten, die von bestehenden Vergütungsregeln abweichen. Sie sollen offensichtlich weiterhin machen können, was sie wollen. Die einzelnen Freien werden hier nicht klagen können, wenn sie ihre Arbeit behalten wollen. Diagnose: Die Regierung will hier gar nichts unternehmen.Wie geht es weiter? Gesetze werden in Deutschland nicht alleine von der Regierung gemacht, sondern eigentlich vom Parlament. Die Verbände der Urheber werden daher mit den Abgeordneten des Bundestags über Änderungen diskutieren müssen. Freie Journalisten und alle anderen Urheber sollten Kontakt zu ihren Bundestagsabgeordneten aufnehmen und für Änderungen eintreten. Wer vor einem solchen Gespräch Beratung durch den DJV wünscht, kann sich an die Geschäftsstellen des DJV auf Landes- und Bundesebene wenden.


Michael Hirschler, hir@djv.de* als Journalisten und nicht als "Händler von Nutzungsrechten"

Die letzten vier Meldungen der DJV-Startseite DJV-Freie Urheberrecht
Freie Journalisten Urheberrecht Newsmeldung

Weitere Artikel im DJV-Blog

Kennzeichnungen
Kennzeichnungen

20.11.2024

Werbung ist Werbung

Warum kennzeichnen Zeitungen und Zeitschriften kommerzielle Angebote nicht durchweg als "Werbung"? Stattdessen wird immer häufiger gern von "Verlagsangeboten" geschrieben - und dabei übersehen, dass d …

Mehr
Trump und die Presse
Trump und die Presse

15.11.2024

Zieht euch warm an

Alle vier Jahre grüßt das Murmeltier. Oder Donald Trump. Wer hätte gedacht, dass der Ex-US-Präsident noch einmal als Kandidat antreten wird? Und wer hätte gedacht, dass dieser Kandidat die Wahl gewinn …

Mehr
Koalitions-Aus
Koalitions-Aus

07.11.2024

Ende zur Unzeit

Das Ende der Ampelkoalition kommt für uns Journalisten zur Unzeit. Wichtige Gesetzesvorhaben liegen jetzt wieder auf Eis. Das Nachsehen hat die Qualität des Journalismus.

Mehr
US-Wahl
US-Wahl

05.11.2024

Despotie zum zweiten?

Heute entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA darüber, wer für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus einzieht. Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab - auch für die Journalistinnen und Journali …

Mehr
Wahlen
Wahlen

01.11.2024

Wie gut wir es doch haben

In den USA tobt wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl eine mediale Schlammschlacht. CNN und Fox News überbieten sich gegenseitig mit Polemiken über Kamala Harries und Donald Trump. Und in der Öffen …

Mehr
Journalistenbefragung
Journalistenbefragung

30.10.2024

So sind wir wirklich

Eine großangelegte Studie zum Journalismus in Deutschland hat die TU Dortmund durchgeführt. Rechtsextreme versuchen bereits, daraus Honig zu saugen.

Mehr
US-Wahlempfehlungen
US-Wahlempfehlungen

29.10.2024

Wo die Erde bebt

Weil die Washington Post auf Geheiß von Eigentümer Jeff Bezos keine Wahlempfehlung vor der US-Präsidentschaftswahl abgibt, laufen ihr die Abonnenten in Scharen davon. Der erste spektakuläre Fall, bei  …

Mehr
Ministerpräsidentenkonferenz
Ministerpräsidentenkonferenz

28.10.2024

In die Büsche geschlagen

Die Ministerpräsidenten haben mit ihren Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem eines gezeigt: dass sie kein medienpolitisches Rückgrat haben. Blamabel.

Mehr
Tag der Entscheidung
Tag der Entscheidung

25.10.2024

Was muss noch passieren?

Heute beraten die Ministerpräsidenten über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Begleitet von Protesten der Kreativszene wollen die Länderchefs den Reformstaatsvertrag und damit das Aus f …

Mehr
Reformstaatsvertrag
Reformstaatsvertrag

24.10.2024

Online ohne Inhalte

Ein Teil des umstrittenen Reformstaatsvertrags ist der Versuch, die Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Digitalangebote ein für allemal zu unterbinden. Was das für die User bedeutet, hat die Tage …

Mehr
Journalismus
Journalismus

22.10.2024

Warum mache ich das - noch?

Das NDR-Medienmagazin Zapp hat eine beeindruckende Reportage über uns Journalisten und unser Umfeld gedreht. Eine Bestandsaufnahme mit Gruselfaktor.

Mehr
Gemeinnütziger Journalismus
Gemeinnütziger Journalismus

01.10.2024

Alles, nichts - oder?

Der gemeinnützige Journalismus braucht Rechtssicherheit. Warum das so ist, beschreibt Anne Webert, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende.

Mehr
Christopher Street Day
Christopher Street Day

30.09.2024

Wie eine Frischzellenkur

Bei mehreren CSD-Paraden war der DJV in diesem Sommer aktiv dabei. Eine Bilanz zieht Christian Schäfer-Koch, Vorsitzender des DJV-Fachausschusses Chancengleichheit und Diversity.

Mehr
Christoph Maria Fröhder
Christoph Maria Fröhder

25.09.2024

Ein Top-Journalist ist tot

Im Alter von 81 Jahren ist der freie Fernsehjournalist Christoph Maria Fröhder gestorben. - Ein Nachruf von DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner.

Mehr
BDZV
BDZV

20.09.2024

Wir hätten da eine Idee, Herr Eggers

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) bekommt einen neuen Hauptgeschäftsführer. Womit Jörg Eggers Geschichte schreiben könnte.

Mehr
ZDF-Streik
ZDF-Streik

19.09.2024

Wo bleibt die Aktualität?

Heute streiken die Beschäftigten des ZDF für höhere Einkommen. Aufgerufen hat unter anderem der DJV. Der Sender hat bereits reagiert und den Zuschauern am frühen Vormittag eine Voraufzeichnung des ZDF …

Mehr
Rechtsprechung
Rechtsprechung

18.09.2024

Reizschwelle Hitlergruß

Zum berüchtigten Sylt-Video gibt es jetzt zwei Gerichtsurteile, die sich scheinbar widersprechen. Aber nur scheinbar. Für Medien wird jetzt vieles klarer.

Mehr
BSW-Parteitage
BSW-Parteitage

16.09.2024

Wir müssen leider draußen bleiben

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat tatsächlich zwei Landesverbände gegründet, als seien die Parteitage Kaffeekränzchen in der guten Stube. Ein schlechtes Omen für das Verfassungsverständnis der neuen P …

Mehr
BSW
BSW

11.09.2024

Die nächsten Mediennörgler

Die Süddeutsche Zeitung hat untersucht, wie es das Bündnis Sahra Wagenknecht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält. Das Ergebnis aus journalistischer Sicht: Prost Mahlzeit.

Mehr
Doku "Die große Angst"
Doku "Die große Angst"

10.09.2024

Gänsehautfaktor

"Die große Angst." So heißt eine Dokumentation des MDR über die gesellschaftliche Lage in Ostdeutschland, die das Erste am Montagabend gesendet hat: exzellenter Journalismus mit Gänsehautfaktor.

Mehr