Reform
Was haben die Freien vom neuen Urhebervertragsrecht?
Keine Auskunft, kein Rücktritt, keine wirksamen Vergütungsregeln und weniger Rechte an Beiträgen
Das Urheberrecht ist für freie Journalisten so eine Sache. Für viele, die sich in erster Linie als Journalisten* definieren und deswegen spannenden Geschichten hinterher jagen möchten, gehört es zu den eher lästigen Begleiterscheinungen des Berufs wie die Sozialversicherung oder Steuerfragen. Manche fragen sogar erstaunt, warum sie sich ernsthaft um das Thema kümmern sollen, sie würden doch keine Bücher verfassen. Oft werden diese Kollegen dann erst wach, wenn ihnen umfangreiche Vertragsbedingungen ihrer Auftraggeber zugeschickt werden, nach denen sie sämtliche Beiträge an ihren Beiträgen für alle möglichen Nutzungen und alle Zeiten abtreten sollen.
Wer Texte oder Fotos an Medien liefert, „verkauft“ seine geistigen Inhalte nicht einfach, sondern räumt hieran Rechte zur Nutzung der Beiträge ein. So will es das Recht. Der Verfasser gilt als Urheber und soll über Umfang und Art der Nutzung mitbestimmen können. Geregelt ist das im Urheberrechtsgesetz, geschaffen unter tatkräftiger Mitwirkung des DJV in den sechziger Jahren.
Wer seine Beiträge an verschiedene Kunden liefert, muss deswegen darauf achten, dass der Kunde keine kompletten Rechte erhält. Auch wenn verschiedene Freie mit eigenen Nutzungsbestimmungen arbeiten, bestehen Medienhäuser meist auf der Akzeptanz ihrer Geschäftsbedingungen, mit denen die Einräumung aller Rechte festgeschrieben werden soll. Oft genug geschieht das dann auch zu lächerlich geringen Honoraren. Mangels anderer Auftraggeber müssen die Freien diese Bedingungen dann akzeptieren, wenn sie weiter als Journalisten arbeiten wollen.
Um den Urhebern in dieser Situation zu helfen, hat der Gesetzgeber nach intensivem Lobbying der Urheberverbände, darunter der DJV, im Jahr 2002 das so genannte Urhebervertragsrecht reformiert. Das Gesetz sieht seitdem vor, dass Urheber einen Anspruch auf ein angemessenes Honorar haben. Sie können daher eine Anpassung der Vergütung verlangen, wenn die Honorierung als unangemessen erscheint. Darüber hinaus können Verbände von Urhebern mit den Vereinigungen der Verwerter Vereinbarungen treffen, in denen geregelt wird, was als angemessenes Honorar erscheint. Gerichte müssen solche Vergütungsregeln als Maßstab akzeptieren.
Die Zahl der Vergütungsregeln ist seit 2002 jedoch übersichtlich geblieben, weil der Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht zwingend ist. Während bei den Tageszeitungen ein Abschluss für Texte im Jahr 2010 erfolgte, war er im Bereich Fotos erst 2013 möglich. An vielen Zeitungen werden die Bestimmungen zudem nicht eingehalten. Immer wieder klagen Bildjournalisten mit Hilfe des DJV auf Nachzahlung und erhalten dadurch zum Teil enorme Nachzahlungen – zuletzt in einem Fall rund 80.000 Euro. Allerdings sind sie, sobald sie die Klage erheben, die Arbeit los. An Zeitschriften wird sogar seit über einem Jahrzehnt verhandelt, ohne Ergebnis. Was also tun?
Das Urhebervertragsrecht war gut gemeint, sorgt in vielen Fällen aber nicht für eine Verbesserung der Situation. Daher die Forderung der in der Initiative Urheberrecht zusammengeschlossenen Verbände nach einer weiteren Reform. Dies fand insbesondere bei der SPD Anklang, durch die eine entsprechende Reform im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde.
Der Entwurf des von der SPD geführten Justizministeriums Ende 2015 war vom Anspruch getragen, die Situation der Urheber zu verbessern. Leichtere Möglichkeiten, Auskunft über erfolgte Nutzungen zu erhalten, aus bestehenden Verträgen per Rücktritt auszusteigen oder beispielsweise der Grundsatz, dass jede Nutzung eines Beitrags gesondert zu vergüten sei. Weiterhin das Recht von Verbänden, die Verwendung unfairer Vertragsbedingungen untersagen zu lassen, wenn ein Auftraggeber Mitglied einer Vereinigung ist, von der Vergütungsregeln abgeschlossen wurden.
Nur auf den ersten Blick waren diese Bedingungen für Verlage und Sender „hart“. In Wirklichkeit war die Intention der Regelung, die Motivation für den Abschluss zu Vergütungsvereinbarungen zu erhöhen. Denn die scheinbar „harten“ Regelungen konnten durch Vergütungsregeln wieder anders geregelt werden – eine gute Motivation für die Verwerter, gemeinsam mit den Urhebern zu verhandeln, ganz anders als derzeit. Dennoch fehlte es bereits in diesem Entwurf an wichtigen Punkten, etwa zur Frage, wie Verbände gegen unfaire Bedingungen von Verlagshäusern vorgehen können, die nicht in Verbänden organisiert sind.
Die Medienhäuser reagierten auf die im Kern moderaten Reformvorschläge mit großem Sturm, ganz wie 2002, wo sogar kurz vor der Verabschiedung Laufbänder der Reformgegner im Privatfernseher über Sendungen gelegt wurden mit der Parole: „Diese Serie wird mit dem neuen Urheberrecht nicht mehr finanzierbar sein“. Dieses Mal reagierten sie mit Konferenzen und Druck beim Koalitionspartner CDU/CSU sowie den von diesen Parteien geführten Ministerien.
Der jetzt vom Bundeskabinett verabschiedete Regierungsentwurf für die Reform verändert den Regierungsentwurf in vielen Punkten:
Nunmehr soll nicht mehr gelten, dass „jede Nutzung“ zu vergüten ist. Die Häufigkeit der Vergütung soll nur noch in der Gesamtbetrachtung der Frage der Angemessenheit eine gewisse Rolle spielen. Daher wird in den § 32 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz das Wort „Häufigkeit“ gesteckt, so dass dieser nunmehr lautet:
(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.
Kritisch formuliert: Die Häufigkeit ist jetzt Teil eines definitorischen Kaugummis und wird daher nur noch eine sehr begrenzte Bedeutung haben. Eine gesonderte Behandlung dieses Themas im Gesetz wäre erheblich stärker gewesen.
Der Auskunftsanspruch gilt nicht mehr für Werke, die in einem Gesamtwerk nur eine untergeordnete Bedeutung haben, er darf außerdem abgelehnt werden, wenn die Auskunft unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde. Es ist zu vermuten, dass ein Verlag in Zukunft argumentieren wird, dass ein einzelnes Foto im „Gesamtwerk“ Zeitung oder Zeitschrift nur als untergeordnet einzustufen ist. Zudem wird hier voraussichtlich auch erfolgreich mit der Unverhältnismäßigkeit des Aufwands argumentiert werden angesichts der Zahl der täglich in Redaktionen verwendeten Beiträge.
Ein Rücktrittsrecht von Verträgen soll erst nach zehn Jahren möglich sein, und selbst dann verbleibt dem Medienhaus ein Recht am Beitrag. Wer aber möchte Buchrechte erwerben, wenn klar ist, dass der bisherige Verlag das Buch ebenfalls weiter nutzen kann? Die Herausgabe eines identischen Werks könnte zudem dem Buchhandelsrecht widersprechen, das nur am Rande.
Nun produzieren Freie eigentlich seltener Bücher, sondern Beiträge, die nach zehn Jahren nur in seltenen Fällen noch wirklich verwertbar sind, Fotografien ausgenommen. Für freie Journalisten ist daher relevanter eine erneute Sonderregelung, in der es um die bereits erwähnten „untergeordneten Beiträge“ geht, die in einem Gesamtwerk erscheinen. Als solche werden voraussichtlich einzelne Fotos oder Beiträge innerhalb einer Zeitung oder Zeitschrift gelten, unter Umständen auch 2:30-Fernsehberichte für TV-Produktionen. Für solche Beiträge soll gelten, dass hier die Einräumung von ausschließlichen Rechten auch über zehn Jahre hinaus zulässig ist.
Die Regelung des Rücktrittsrechts kommt für den Regelfall der Produktion von freien Journalisten also gar nicht mehr zur Anwendung. Durch diese Änderung wird der ursprüngliche Regierungsentwurf „verschlimmbessert“, weil damit erstmals im Gesetz explizit festgehalten wird, dass sich Verlage die Rechte an Beiträgen freier Journalisten (und andere „untergeordneter Urheberbeiträge“) auch für weit über zehn Jahre mit Ausschließlichkeitsklausel besorgen dürfen.
Durch diese Änderungen fehlt es jetzt an jeder Regelung, mit der bei Medienhäusern irgendein Druck besteht, für die Verwendung der Beiträge freier Journalisten Vergütungsregeln abzuschließen. Ganz im Gegenteil wird ihnen die Anwendung von Langzeit-Knebelverträgen einfacher gemacht, und Auskunft müssen sie im Regelfall auch nicht mehr geben.
Weiterhin gibt es keine Regelung für die Frage, wie Verbände gegenüber solchen Verwertern agieren können, die gar nicht erst Mitglied eines Verbandes werden und mit Vertragsbedingungen arbeiten, die von bestehenden Vergütungsregeln abweichen. Sie sollen offensichtlich weiterhin machen können, was sie wollen. Die einzelnen Freien werden hier nicht klagen können, wenn sie ihre Arbeit behalten wollen. Diagnose: Die Regierung will hier gar nichts unternehmen.Wie geht es weiter? Gesetze werden in Deutschland nicht alleine von der Regierung gemacht, sondern eigentlich vom Parlament. Die Verbände der Urheber werden daher mit den Abgeordneten des Bundestags über Änderungen diskutieren müssen. Freie Journalisten und alle anderen Urheber sollten Kontakt zu ihren Bundestagsabgeordneten aufnehmen und für Änderungen eintreten. Wer vor einem solchen Gespräch Beratung durch den DJV wünscht, kann sich an die Geschäftsstellen des DJV auf Landes- und Bundesebene wenden.
Michael Hirschler, hir@djv.de* als Journalisten und nicht als "Händler von Nutzungsrechten"