dapd
Was gilt bei Insolvenz für Pauschalisten und andere Freie?
dapd hat zahlreiche freie Mitarbeiter beschäftigt und erst in den letzten Monaten die Zahl der so genannten Pauschalisten noch einmal aufgestockt. Doch Insolvenzgeld gibt es nur für Arbeitnehmer.
Noch vor wenigen Tagen durfte der DJV künftige dapd-Pauschalisten in Honorarfragen beraten. Jetzt sind sie möglicherweise arbeitslos, kaum dass sie den Job angetreten haben. Ihre Rechte?
Zunächst einmal: Das dapd-Konglomerat besteht aus diversen Gesellschaften. Natürlich muss sich in den nächsten Tagen erst einmal klären, welche Gesellschaften vom Insolvenzantrag erfasst sind.
Nach jetzigen Informationen soll es sich um folgende Gesellschaften handeln:
- dapd nachrichtenagentur GmbH,
- dapd nachrichten GmbH,
- dapd Korrespondenz und Recherche GmbH,
- dapd International Service GmbH,
- dapd Sport GmbH,
- dfd Foto Service GmbH,
- dapd video GmbH und
- News and Medien Service Exklusiv GmbH
Zuständig ist nach neuesten Informationen kein "vorläufiger Insolvenzverwalter", sondern ein "Sachwalter", der es den dapd-Unternehmen ermöglichen soll, sich in so genannter Eigenverwaltung zu sanieren.
Arbeitnehmer haben es dabei etwas besser als Freie: Ihnen stehen grundsätzlich bis zu drei Monate lang Insolvenzgeld zu. Freie, die bisher offiziell als Selbständige für dapd gearbeitet haben, gelten dagegen im Regelfall bis zur vorläufigen Insolvenzeröffnung nur als Gläubiger für ihre Forderungen - neben anderen Gläubigern von dapd wie etwa Möbellieferanten. Das heißt: Freie müssen im Regelfall den Großteil, möglicherweise sogar den gesamten ausstehenden Honorarteil abschreiben.
Eine Ausnahme wäre denkbar, wenn Freie de facto Arbeitnehmer oder über dapd sozialversichert waren. Dann können sie unter Umständen den Anspruch auf Insolvenzgeld bei der Arbeitsagentur formell geltend machen. Auch dann kann es aber zu jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzungen kommen, denn die Arbeitsagentur wird dieser Sichtweise vermutlich nicht so einfach folgen. Wenn Freie bisher sozialversicherungsmäßig als Selbständige galten, ist es noch wahrscheinlicher, dass sie erst nichts erhalten. Rechtliche Auseinandersetzungen von mehreren Jahren sind in jedem Fall zu erwarten - mit schnellem Geld ist also nicht zu rechnen.
Besteht bei der Unsicherheit eine Pflicht, bei dapd weiterzuarbeiten? Grundsätzlich bestehen "Dauerschuldverhältnisse" bei Insolvenz fort. Ein freier Mitarbeiter, der einen Pauschalistenvertrag hat, wird daher durch die Insolvenz nicht einfach automatisch gekündigt und kann daher eigentlich auch nicht einfach "fortgehen". So lange allerdings weitere (neue) Zahlungen ungewiss sind, haben solche Freie durchaus ein Recht auf Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft, sollten das allerdings schriftlich gegenüber dem "Sachwalter" geltend machen, bevor sie sich "absetzen", damit man nicht später wegen "grundlosem Verschwinden" von der Arbeit Ansprüche verliert oder entsprechende Bemerkungen im Arbeitszeugnis kassiert.
Beispiel für ein Schreiben:
"ich bin in der ...Redaktion der ...GmbH seit ... als ... tätig. Auf Grund der Insolvenz und der Tatsache, dass ich seit dem ... keine Zahlungen mehr für den Zeitraum ... erhalten habe, bitte ich um verbindliche Mitteilung darüber, ob eine Weiterbeschäftigung für mich erfolgt und die weitere Bezahlung gesichert ist. Ich bin nicht bereit, ohne weitere Geldzahlungen für die Firma tätig zu sein und mache bis zu einer klaren Mitteilung von meinem Zurückbehaltungsrecht an meiner Arbeitskraft Gebrauch."
Je mehr Freie eine solche Erklärung abgeben, desto wirksamer kann sie sein. Natürlich sollte sie auch verbunden werden mit einer Forderung, wie die Freien für die Verluste durch die Nichtzahlung des Honorars im September sowie Unmöglichkeit von Insolvenzgeld kompensiert werden, etwa durch deutliche Erhöhung der Pauschalen für die Zukunft.
Umgekehrt kann es natürlich sein, dass der Insolvenzverwalter ihnen weitere Arbeit und Nachzahlungen zusichert - was natürlich bei den zuletzt genannten hohen Verlusten der Agentur derzeit allerdings nicht unbedingt als ein wahrscheinliches Szenario erscheint.
Freie, die nicht als Pauschalisten mit festem Vertrag tätig sind, sondern nur ab und zu anliefern, sollten dagegen noch nicht umgesetzte Aufträge nur noch dann ausführen, wenn sie vom Sachwalter bestätigt werden.
Wer als freier Mitarbeiter keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, aber noch Ansprüche auf Arbeitslosengeld aus einem früheren Arbeitsverhältnis hat, sollte sich natürlich sofort bei der Arbeitsagentur melden, denn Geld gibt es frühestens ab Meldung. Ansonsten bleibt nur noch der Weg ins Arbeitslosengeld II. Auch das bekommt man/frau frühestens ab Meldung, praktisch nie aber rückwirkend, also läuft insofern auch hier die Zeit.
Was gilt eigentlich für Texte und Bilder, die eingereicht wurden, aber noch nicht auf dapd gelaufen und noch nicht bezahlt sind? Nach der Insolvenz besteht nach Auffassung vieler Juristen kein Recht von dapd, diese Beiträge zu nutzen, bevor der Insolvenzverwalter hier eine Zahlung zusagt. Allerdings kommt es auch hier auf den Einzelfall an, bei Rückfragen melden sich DJV-Mitglieder beim DJV.
Die Insolvenz ist in Deutschland ist im Übrigen eigentlich nicht unbedingt mit Pleite und Auflösung gleichzusetzen. Ziel des deutschen Insolvenzverfahrens ist - offiziell zumindest - die Fortführung des Unternehmens. Dazu wird die Firma von bisherigen Verpflichtungen weitgehend befreit, die Gläubiger stimmen dem im Regelfall zwangsläufig zu, um überhaupt irgendwelche geringen Ansprüche zu erhalten. Nachteil für die Freien: Sie gehören ja auch zu den Gläubigern, d.h. wenn ihre Firma gerettet wird, dann geht das zu Lasten ihrer Honorarforderungen. Gering bzw. mittelmäßig verdienende Freie, die Medienunternehmen (mit) sanieren - Realität 2012.
Mit der Einleitung einer Insolvenz wird im Regelfall ein Rechtsanwalt zuständig für die Firma, der darüber zu entscheiden hat, wie es weiter geht. Die bisherigen Chefs haben ohne ihn nichts mehr oder nicht mehr viel zu sagen. Der Rechtsanwalt (im jetzigen Fall als "Sachwalter") versucht zu retten, was zu retten ist, sowohl für die Gläubiger als auch für die Firma. Das bedeutet, dass er, wenn der Geldeingang weitgehend in Ordnung ist, auch die Weiterbeschäftigung von Angestellten und Freien erfolgen kann.
Allerdings ist gerade dieser Punkt wohl besonders zweifelhaft.
Sieht der Sachwalter ausreichend Geld in der Kasse, kommt es zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahren. Hier müssen die Gläubiger dann ihre Forderungen "zur Tabelle anmelden". Der Insolvenzverwalter fahndet derweil weiter nach Forderungen der Firma gegen Dritte.
Bevorzugt bedient werden im Insolvenzverfahren die Kosten des Insolvenzverfahrens (Gericht usw.) selbst sowie der Insolvenzverwalter, dann die weiterhin beschäftigten Personen, schließlich kommen Ansprüche aus einem Sozialplan in Frage. Ob einige Freie hier integriert werden könnten, wäre die Frage. Wer hier nicht hineinkommt, dem bleibt dann nur die Rolle des normalen Gläubigers. Dieser bekommt oft gar nichts oder nur einen Bruchteil seiner ausstehenden Forderungen.
Eine Schlussbemerkung: Auf Grund der Aktualität dieses Beitrags wird um Verständnis darum gebeten, dass die oben stehenden Aussagen unter Vorbehalt erfolgen müssen, da viele Details der Problematik noch nicht bekannt sind.
Betroffene DJV-Mitglieder können sich zwecks Beratung an ihre Landesverbände wenden.
Michael Hirschler, hir@djv.de
(Aktualisierung 4.10.)