Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

dapd

Was gilt bei Insolvenz für Pauschalisten und andere Freie?

03.10.2012

dapd hat zahlreiche freie Mitarbeiter beschäftigt und erst in den letzten Monaten die Zahl der so genannten Pauschalisten noch einmal aufgestockt. Doch Insolvenzgeld gibt es nur für Arbeitnehmer.


Noch vor wenigen Tagen durfte der DJV künftige dapd-Pauschalisten in Honorarfragen beraten. Jetzt sind sie möglicherweise arbeitslos, kaum dass sie den Job angetreten haben. Ihre Rechte?

Zunächst einmal: Das dapd-Konglomerat besteht aus diversen Gesellschaften. Natürlich muss sich in den nächsten Tagen erst einmal klären, welche Gesellschaften vom Insolvenzantrag erfasst sind.

Nach jetzigen Informationen soll es sich um folgende Gesellschaften handeln:

  • dapd nachrichtenagentur GmbH,
  • dapd nachrichten GmbH,
  • dapd Korrespondenz und Recherche GmbH,
  • dapd International Service GmbH,
  • dapd Sport GmbH,
  • dfd Foto Service GmbH,
  • dapd video GmbH und
  • News and Medien Service Exklusiv GmbH

Zuständig ist nach neuesten Informationen kein "vorläufiger Insolvenzverwalter", sondern ein "Sachwalter", der es den dapd-Unternehmen ermöglichen soll, sich in so genannter Eigenverwaltung zu sanieren.
Arbeitnehmer
haben es dabei etwas besser als Freie: Ihnen stehen grundsätzlich bis zu drei Monate lang Insolvenzgeld zu. Freie, die bisher offiziell als Selbständige für dapd gearbeitet haben, gelten dagegen im Regelfall bis zur vorläufigen Insolvenzeröffnung nur als Gläubiger für ihre Forderungen - neben anderen Gläubigern von dapd wie etwa Möbellieferanten. Das heißt: Freie müssen im Regelfall den Großteil, möglicherweise sogar den gesamten ausstehenden Honorarteil abschreiben.

Eine Ausnahme wäre denkbar, wenn Freie de facto Arbeitnehmer oder über dapd sozialversichert waren. Dann können sie unter Umständen den Anspruch auf Insolvenzgeld bei der Arbeitsagentur formell geltend machen. Auch dann kann es aber zu jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzungen kommen, denn die Arbeitsagentur wird dieser Sichtweise vermutlich nicht so einfach folgen. Wenn Freie bisher sozialversicherungsmäßig als Selbständige galten, ist es noch wahrscheinlicher, dass sie erst nichts erhalten. Rechtliche Auseinandersetzungen von mehreren Jahren sind in jedem Fall zu erwarten - mit schnellem Geld ist also nicht zu rechnen.

Besteht bei der Unsicherheit eine Pflicht, bei dapd weiterzuarbeiten? Grundsätzlich bestehen "Dauerschuldverhältnisse" bei Insolvenz fort. Ein freier Mitarbeiter, der einen Pauschalistenvertrag hat, wird daher durch die Insolvenz nicht einfach automatisch gekündigt und kann daher eigentlich auch nicht einfach "fortgehen". So lange allerdings weitere (neue) Zahlungen ungewiss sind, haben solche Freie durchaus ein Recht auf Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft, sollten das allerdings schriftlich gegenüber dem "Sachwalter" geltend machen, bevor sie sich "absetzen", damit man nicht später wegen "grundlosem Verschwinden" von der Arbeit Ansprüche verliert oder entsprechende Bemerkungen im Arbeitszeugnis kassiert.

Beispiel für ein Schreiben:

"ich bin in der ...Redaktion der ...GmbH seit ... als ... tätig. Auf Grund der Insolvenz und der Tatsache, dass ich seit dem ... keine Zahlungen mehr für den Zeitraum ... erhalten habe, bitte ich um verbindliche Mitteilung darüber, ob eine Weiterbeschäftigung für mich erfolgt und die weitere Bezahlung gesichert ist. Ich bin nicht bereit, ohne weitere Geldzahlungen für die Firma tätig zu sein und mache bis zu einer klaren Mitteilung von meinem Zurückbehaltungsrecht an meiner Arbeitskraft Gebrauch."

Je mehr Freie eine solche Erklärung abgeben, desto wirksamer kann sie sein. Natürlich sollte sie auch verbunden werden mit einer Forderung, wie die Freien für die Verluste durch die Nichtzahlung des Honorars im September sowie Unmöglichkeit von Insolvenzgeld kompensiert werden, etwa durch deutliche Erhöhung der Pauschalen für die Zukunft.

Umgekehrt kann es natürlich sein, dass der Insolvenzverwalter ihnen weitere Arbeit und Nachzahlungen zusichert - was natürlich bei den zuletzt genannten hohen Verlusten der Agentur derzeit allerdings nicht unbedingt als ein wahrscheinliches Szenario erscheint.

Freie, die nicht als Pauschalisten mit festem Vertrag tätig sind, sondern nur ab und zu anliefern, sollten dagegen noch nicht umgesetzte Aufträge nur noch dann ausführen, wenn sie vom Sachwalter bestätigt werden.

Wer als freier Mitarbeiter keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, aber noch Ansprüche auf Arbeitslosengeld aus einem früheren Arbeitsverhältnis hat, sollte sich natürlich sofort bei der Arbeitsagentur melden, denn Geld gibt es frühestens ab Meldung. Ansonsten bleibt nur noch der Weg ins Arbeitslosengeld II. Auch das bekommt man/frau frühestens ab Meldung, praktisch nie aber rückwirkend, also läuft insofern auch hier die Zeit.

Was gilt eigentlich für Texte und Bilder, die eingereicht wurden, aber noch nicht auf dapd gelaufen und noch nicht bezahlt sind? Nach der Insolvenz besteht nach Auffassung vieler Juristen kein Recht von dapd, diese Beiträge zu nutzen, bevor der Insolvenzverwalter hier eine Zahlung zusagt. Allerdings kommt es auch hier auf den Einzelfall an, bei Rückfragen melden sich DJV-Mitglieder beim DJV.

Die Insolvenz ist in Deutschland ist im Übrigen eigentlich nicht unbedingt mit Pleite und Auflösung gleichzusetzen. Ziel des deutschen Insolvenzverfahrens ist - offiziell zumindest - die Fortführung des Unternehmens. Dazu wird die Firma von bisherigen Verpflichtungen weitgehend befreit, die Gläubiger stimmen dem im Regelfall zwangsläufig zu, um überhaupt irgendwelche geringen Ansprüche zu erhalten. Nachteil für die Freien: Sie gehören ja auch zu den Gläubigern, d.h. wenn ihre Firma gerettet wird, dann geht das zu Lasten ihrer Honorarforderungen. Gering bzw. mittelmäßig verdienende Freie, die Medienunternehmen (mit) sanieren - Realität 2012.

Mit der Einleitung einer Insolvenz wird im Regelfall ein Rechtsanwalt zuständig für die Firma, der darüber zu entscheiden hat, wie es weiter geht. Die bisherigen Chefs haben ohne ihn nichts mehr oder nicht mehr viel zu sagen. Der Rechtsanwalt (im jetzigen Fall als "Sachwalter") versucht zu retten, was zu retten ist, sowohl für die Gläubiger als auch für die Firma. Das bedeutet, dass er, wenn der Geldeingang weitgehend in Ordnung ist, auch die Weiterbeschäftigung von Angestellten und Freien erfolgen kann.
Allerdings ist gerade dieser Punkt wohl besonders zweifelhaft.

Sieht der Sachwalter ausreichend Geld in der Kasse, kommt es zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahren. Hier müssen die Gläubiger dann ihre Forderungen "zur Tabelle anmelden". Der Insolvenzverwalter fahndet derweil weiter nach Forderungen der Firma gegen Dritte.

Bevorzugt bedient werden im Insolvenzverfahren die Kosten des Insolvenzverfahrens (Gericht usw.) selbst sowie der Insolvenzverwalter, dann die weiterhin beschäftigten Personen, schließlich kommen Ansprüche aus einem Sozialplan in Frage. Ob einige Freie hier integriert werden könnten, wäre die Frage. Wer hier nicht hineinkommt, dem bleibt dann nur die Rolle des normalen Gläubigers. Dieser bekommt oft gar nichts oder nur einen Bruchteil seiner ausstehenden Forderungen.

Eine Schlussbemerkung: Auf Grund der Aktualität dieses Beitrags wird um Verständnis darum gebeten, dass die oben stehenden Aussagen unter Vorbehalt erfolgen müssen, da viele Details der Problematik noch nicht bekannt sind.

Betroffene DJV-Mitglieder können sich zwecks Beratung an ihre Landesverbände wenden.

Michael Hirschler, hir@djv.de


(Aktualisierung 4.10.)

DJV-Freie Soziales Die letzten vier Meldungen der DJV-Startseite
Freie Journalisten Soziales Newsmeldung

Weitere Artikel im DJV-Blog

Kennzeichnungen
Kennzeichnungen

20.11.2024

Werbung ist Werbung

Warum kennzeichnen Zeitungen und Zeitschriften kommerzielle Angebote nicht durchweg als "Werbung"? Stattdessen wird immer häufiger gern von "Verlagsangeboten" geschrieben - und dabei übersehen, dass d …

Mehr
Trump und die Presse
Trump und die Presse

15.11.2024

Zieht euch warm an

Alle vier Jahre grüßt das Murmeltier. Oder Donald Trump. Wer hätte gedacht, dass der Ex-US-Präsident noch einmal als Kandidat antreten wird? Und wer hätte gedacht, dass dieser Kandidat die Wahl gewinn …

Mehr
Koalitions-Aus
Koalitions-Aus

07.11.2024

Ende zur Unzeit

Das Ende der Ampelkoalition kommt für uns Journalisten zur Unzeit. Wichtige Gesetzesvorhaben liegen jetzt wieder auf Eis. Das Nachsehen hat die Qualität des Journalismus.

Mehr
US-Wahl
US-Wahl

05.11.2024

Despotie zum zweiten?

Heute entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA darüber, wer für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus einzieht. Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab - auch für die Journalistinnen und Journali …

Mehr
Wahlen
Wahlen

01.11.2024

Wie gut wir es doch haben

In den USA tobt wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl eine mediale Schlammschlacht. CNN und Fox News überbieten sich gegenseitig mit Polemiken über Kamala Harries und Donald Trump. Und in der Öffen …

Mehr
Journalistenbefragung
Journalistenbefragung

30.10.2024

So sind wir wirklich

Eine großangelegte Studie zum Journalismus in Deutschland hat die TU Dortmund durchgeführt. Rechtsextreme versuchen bereits, daraus Honig zu saugen.

Mehr
US-Wahlempfehlungen
US-Wahlempfehlungen

29.10.2024

Wo die Erde bebt

Weil die Washington Post auf Geheiß von Eigentümer Jeff Bezos keine Wahlempfehlung vor der US-Präsidentschaftswahl abgibt, laufen ihr die Abonnenten in Scharen davon. Der erste spektakuläre Fall, bei  …

Mehr
Ministerpräsidentenkonferenz
Ministerpräsidentenkonferenz

28.10.2024

In die Büsche geschlagen

Die Ministerpräsidenten haben mit ihren Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem eines gezeigt: dass sie kein medienpolitisches Rückgrat haben. Blamabel.

Mehr
Tag der Entscheidung
Tag der Entscheidung

25.10.2024

Was muss noch passieren?

Heute beraten die Ministerpräsidenten über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Begleitet von Protesten der Kreativszene wollen die Länderchefs den Reformstaatsvertrag und damit das Aus f …

Mehr
Reformstaatsvertrag
Reformstaatsvertrag

24.10.2024

Online ohne Inhalte

Ein Teil des umstrittenen Reformstaatsvertrags ist der Versuch, die Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Digitalangebote ein für allemal zu unterbinden. Was das für die User bedeutet, hat die Tage …

Mehr
Journalismus
Journalismus

22.10.2024

Warum mache ich das - noch?

Das NDR-Medienmagazin Zapp hat eine beeindruckende Reportage über uns Journalisten und unser Umfeld gedreht. Eine Bestandsaufnahme mit Gruselfaktor.

Mehr
Gemeinnütziger Journalismus
Gemeinnütziger Journalismus

01.10.2024

Alles, nichts - oder?

Der gemeinnützige Journalismus braucht Rechtssicherheit. Warum das so ist, beschreibt Anne Webert, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende.

Mehr
Christopher Street Day
Christopher Street Day

30.09.2024

Wie eine Frischzellenkur

Bei mehreren CSD-Paraden war der DJV in diesem Sommer aktiv dabei. Eine Bilanz zieht Christian Schäfer-Koch, Vorsitzender des DJV-Fachausschusses Chancengleichheit und Diversity.

Mehr
Christoph Maria Fröhder
Christoph Maria Fröhder

25.09.2024

Ein Top-Journalist ist tot

Im Alter von 81 Jahren ist der freie Fernsehjournalist Christoph Maria Fröhder gestorben. - Ein Nachruf von DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner.

Mehr
BDZV
BDZV

20.09.2024

Wir hätten da eine Idee, Herr Eggers

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) bekommt einen neuen Hauptgeschäftsführer. Womit Jörg Eggers Geschichte schreiben könnte.

Mehr
ZDF-Streik
ZDF-Streik

19.09.2024

Wo bleibt die Aktualität?

Heute streiken die Beschäftigten des ZDF für höhere Einkommen. Aufgerufen hat unter anderem der DJV. Der Sender hat bereits reagiert und den Zuschauern am frühen Vormittag eine Voraufzeichnung des ZDF …

Mehr
Rechtsprechung
Rechtsprechung

18.09.2024

Reizschwelle Hitlergruß

Zum berüchtigten Sylt-Video gibt es jetzt zwei Gerichtsurteile, die sich scheinbar widersprechen. Aber nur scheinbar. Für Medien wird jetzt vieles klarer.

Mehr
BSW-Parteitage
BSW-Parteitage

16.09.2024

Wir müssen leider draußen bleiben

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat tatsächlich zwei Landesverbände gegründet, als seien die Parteitage Kaffeekränzchen in der guten Stube. Ein schlechtes Omen für das Verfassungsverständnis der neuen P …

Mehr
BSW
BSW

11.09.2024

Die nächsten Mediennörgler

Die Süddeutsche Zeitung hat untersucht, wie es das Bündnis Sahra Wagenknecht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält. Das Ergebnis aus journalistischer Sicht: Prost Mahlzeit.

Mehr
Doku "Die große Angst"
Doku "Die große Angst"

10.09.2024

Gänsehautfaktor

"Die große Angst." So heißt eine Dokumentation des MDR über die gesellschaftliche Lage in Ostdeutschland, die das Erste am Montagabend gesendet hat: exzellenter Journalismus mit Gänsehautfaktor.

Mehr