Gesetzgebung
Was bringt die neue "Vermutungsregelung" für & gegen Scheinselbständigkeit?
Scheinselbständige werden ihre Rechte nicht viel leichter durchsetzen können
Die Bundesregierung debattiert derzeit über den Referentenentwurf für ein Gesetz gegen die Scheinselbständigkeit. Ein Anliegen, das von der SPD in den Koalitionsvertrag unter der Losung "Kampf gegen falsche Werkverträge" eingebracht wurde. Der entsprechende Entwurf kommt aus dem sozialdemokratisch geführten Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Was daher nach Abstimmung mit dem christdemokratischen Koalitionspartner davon übrig bleibt, steht daher noch nicht fest.
Grundsätzlich interessant für freie Journalisten, die scheinselbständig arbeiten müssen und gerne einen Arbeitsvertrag erhalten wollen, ist dabei zunächst eine gewisse, allerdings nicht wirklich umwälzende Präzisierung des Arbeitnehmerbegriffs im Gesetz durch acht Kriterien. Darüber hinaus soll es aber auch eine Bestimmung geben, wonach der Arbeitnehmerstatus "widerleglich vermutet" wird. Das soll dann möglich sein, wenn die Deutsche Rentenversicherung bei einer so genannten Statusprüfung die Sozialversicherungspflicht feststellt.
Arbeitnehmerstatus per Entscheidung der Rentenversicherung? Das hört sich erst einmal angesichts der vielen Probleme der Betroffenen sympathisch an. Allerdings soll das nur für diejenigen gelten, die selbst ein solches Statusverfahren anstoßen. Es soll nicht gelten für sonstige Prüfentscheidungen der Prüfdienste der Rentenversicherung. Es gilt auch nicht für solche Freien (z.B. Rundfunkanstalten), für die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, ohne dass eine Statusprüfung eingeleitet wurde.
Wer also durch die Rentenversicherung zum Arbeitnehmer werden will, muss dort erst den Antrag auf Feststellung der Sozialversicherungspflicht stellen. Da stellt sich dann die Frage, warum der Interessierte nicht vielleicht gleich beim Arbeitsgericht klagt, denn das dürfte in der Regel immer noch schneller entscheiden als die Rentenversicherung.
Eine pessimistische Annahme dürfte dann auch lauten: Die Arbeitgeberseite würde in Zukunft (unter Umständen in jedem Einzelfall) erheblich härter bei der Statusprüfung agieren und zunächst alle Instanzen bis zum Bundessozialgericht bemühen. Das würde bedeuten: die Statusstreitigkeiten verschärfen sich auch im Sozialrecht, und natürlich würden die Anwälte der (vermeintlichen) Arbeitgeber selbst bei verlorenem Statusprozess im Sozialrecht anschließend den Kampf vor den Arbeitsgerichten fortsetzen, weil die Feststellung der Rentenversicherung ja immer noch im Bereich des Arbeitsrechts widerlegbar ist. Zudem würde ein Mitarbeiter, der in Zukunft ein Verfahren zur Statusfeststellung bei der Rentenversicherung einleitet, unter Umständen dann genauso (schlecht) behandelt werden wie jemand der eine arbeitsrechtliche Statusklage durchführt, also in Betrieb und Redaktion ausgegrenzt als Querulant - die jahrelang dauernden Verfahren werden also die Betroffenen genauso oft im Regen stehen lassen wie bislang.
Beschleunigte Schnellverfahren vor den Arbeitsgerichten und Instanzen außerhalb der Rentenversicherung würden hier vermutlich besser sein, vor allem auch, weil die zuständige Clearingstelle in den letzten Jahren im fraglichen Verfahren viele Antragsteller in eher recht sportlicher Weise als Selbständige eingestuft haben soll. Die Landesämter für Arbeitsschutz könnten hier viel wirksamer agieren. Interessanterweise setzt die Bundesregierung bei der strafrechtlichen Verfolgung der Scheinselbständigkeit in letzter Zeit eher auf den Zoll als auf die Rentenversicherungsprüfer. Sie wird ihre Gründe dafür gehabt haben...
Natürlich wäre es falsch, dem Gesetzesvorhaben jede denkbare Wirkungsmöglichkeit abzusprechen. Gewisse Effekte, und sei sie auch nur psychologischer Art, etwa in den Vorstellungswelten von Unternehmensführungen, sind durchaus denkbar. Insgesamt erscheint die neue Vermutungsregel aber sehr übersichtlich. Für Panik, wie sie derzeit im Arbeitgeberlager geschürt wird, ist sicherlich kein Anlass.
Michael Hirschler, hir@djv.de