Großbritannien
Wahlkampf erreicht Medien
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson entdeckt wenige Tage vor der Unterhauswahl die Medien als Wahlkampfthema. Zyniker würden sagen: Besser spät als nie.
Der Montag war offenbar Boris Johnsons Medientag, wenn es so etwas in der heißen Phase des Wahlkampfs auf der Insel überhaupt gibt. Bei einem seiner vielen Wahlkampfauftritte passte ihm nicht die Art und Weise, wie ihn ein Fernsehreporter mit der Wirklichkeit des Gesundheitswesens konfrontierte. Der Journalist hielt Johnson sein Smartphone hin, auf dem das Foto eines auf dem Boden liegenden Kindes zu sehen war. Tatort war ein hoffnungslos überfülltes britisches Krankenhaus. Weder passte dem Premier der Kontakt mit dem Reporter, noch das schockierende Bildmotiv. Kurzerhand nahm Johnson das Handy an sich und steckte es in seine Tasche. Hemdsärmelig, sagen die enen. Zupackend die anderen.Damit nicht genug: Bei einem anderen Wahlkampftermin in einer anderen Stadt sinnierte der Premier über die Gebührenfinanzierung der BBC. Vollständig abschaffen wolle er die Rundfunkgebühren nicht, aber über deren Sinn müsse man sich schon Gedanken machen, heizte Johnson die in Großbritannien schwelende Debatte über Rundfunkgebühren an.So brachial wie andere Spitzenpopulisten setzt Ex-Journalist Johnson nicht die Brechstange an die Medien und die Journalisten an. Aber auch er zündelt. Das ist nicht weniger übel als der Dauerkrieg von Donald Trump gegen kritische Medien und die Pressefreiheit. Ob Johnson seine Attacken nützen? In einigen Tagen sind wir schlauer.Ein Kommentar von Hendrik Zörner