Diskriminierung von Freien
Vorwürfe müssen belegt werden
Ehemalige freie Mitarbeiterin scheitert mit Antidiskriminierungsklage beim Bundesarbeitsgericht
Freie Mitarbeiter, die arbeitnehmerähnlich tätig sind, können vor den Arbeitsgerichten auf Schadensersatz klagen, wenn ihnen wegen ihrer (vermuteten) Weltanschauung gekündigt wird. Allerdings müssen diesbezügliche Indizien vorgetragen und bewiesen werden. Mit diesen Kernsätzen wies das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom Urteil vom 20. Juni 2013 die Klage einer Freien ab (Aktenzeichen 8 AZR 482/12).
Konkret ging es um eine freie Mitarbeiterin der China-Redaktion der Deutschen Welle, deren befristete Mitarbeit 2010 nicht verlängert wurde. Im Vorfeld hatte es im und um den Sender herum Kritik an vermeintlich zu "chinafreundlicher" Themenwahl und Semantik gegeben. Mit den Hintergründen setzte sich - mit Übernahme der Sichtweise der "Nichtverlängerten"/Gekündigten - vor allem die "Neue Rheinzeitung" auseinander, weiterhin ein aktueller Beitrag zum Thema in der "Freitag-Community". In der übrigen Medienwelt wurde und wird der Fall kaum behandelt.
An Rundfunkanstalten werden viele Mitarbeiter nur noch als "freie" Mitarbeiter beschäftigt, denen allenfalls ein "arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis" zuerkannt wird. Dieses wird wiederum nur befristet abgeschlossen. Damit kann eine Mitarbeit auch ohne Angabe von Gründen beendet werden, was den Nachweis einer Diskriminierung erschwert. Darüber hinaus können allerdings auch unbefristete Mitarbeiterverträge ohne Angabe von Gründen und ohne Beachtung von sozialen Kriterien beendet werden.
An der Deutschen Welle konnten allerdings vor Jahren immerhin soziale Ausgleichsregelungen vereinbart werden, die ausscheidenden freien Mitarbeitern nach längerer Mitarbeit abfindungsähnliche Ansprüche geben. Diese ändern nichts am Tatbestand der Beendigung, sollen sie allerdings sozial abfedern. Ein Teil der Freien der Deutschen Welle wird zudem in der Arbeitslosenversicherung versichert, was ihnen in solchen Fällen weitere Ansprüche gibt.
Eine Mitbestimmung des Personalrats ist an der Deutschen Welle, aber auch einigen Rundfunkanstalten wie dem rbb ausgeschlossen. Verschiedene Reformbemühungen des DJV sind bisher an der Politik gescheitert. Allerdings kann selbst in Rundfunkanstalten, an denen eine Mitbestimmung besteht, bei Kündigungsfällen vom Personalrat nur wenig rechtlich wirksamer Einfluss genommen werden. Gegen die Nichtverlängerung von Befristungen arbeitnehmerähnlicher Personen ist erst recht kaum eine rechtliche Gegenwehr des Personalrats möglich, meistens nicht einmal bei Angestellten.
MH
O-Ton (PM BAG 43/13):
Benachteiligung wegen der Weltanschauung
Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner Weltanschauung oder wegen bei ihm vermuteter Weltanschauung benachteiligt, kann dies Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auslösen. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass Indizien vorgetragen und bewiesen werden, die auf die Benachteiligung wegen einer (vermuteten) Weltanschauung hindeuten. Persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen sind keine „Weltanschauung“.
Die Klägerin hat u.a. an der Pekinger Fremdsprachenuniversität Germanistik studiert. Mitglied einer politischen Partei war und ist sie nicht. Seit 1987 ist sie für die beklagte Rundfunkanstalt als arbeitnehmerähnliche Person in der China-Redaktion beschäftigt, wobei der letzte Honorarrahmenvertrag bis zum 31. Dezember 2010 befristet war. Die Klägerin bearbeitete als Redakteurin vorwiegend nicht-politische Themen.
Im April 2010 bewarb sie sich erfolglos für eine Festanstellung. Ende Juni 2010 teilte die Beklagte mit, dass sie über das Jahresende 2010 hinaus den befristeten Honorarrahmenvertrag nicht mehr verlängern werde. Die Klägerin erhielt die in diesem Fall vorgesehenen tariflichen Leistungen. Sie macht geltend, sie sei von der Beklagten benachteiligt worden, weil ihr diese - unzutreffend - eine Weltanschauung unterstellt habe. Die Beklagte habe bei ihr „Sympathie für die Volksrepublik China“ vermutet und „damit Unterstützung für die KP China“. Ihre Entlassung sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte angenommen habe, „sie sei gegenüber der Volksrepublik China zu regierungsfreundlich“. Die Beklagte habe sie daher wegen einer unterstellten, in der Sache aber nicht gegebenen Weltanschauung diskriminiert.
Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob und wo heute noch eine „kommunistische Weltanschauung“ o.ä. existiert. Unbestritten lehnt die Klägerin derartiges für sich ab und ist auch nicht Mitglied der KP China. Sofern sie der beklagten Rundfunkanstalt vorhält, diese sei davon ausgegangen, sie hege Sympathie für die Volksrepublik China und berichte freundlich über deren Regierung, trägt sie keine Tatsachen vor, die den Schluss darauf zulassen, sie sei wegen einer ihr unterstellten Weltanschauung benachteiligt worden. Selbst wenn die Beklagte im Rahmen der ihr grundrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit eine stärkere journalistische Distanz zu der Regierung in Peking durchsetzen wollte und deswegen die Zusammenarbeit mit der Klägerin beendet hätte, indizierte dies nicht, dass die Beklagte der Klägerin eine Weltanschauung unterstellt hätte. Im Übrigen bedeutet Sympathie für ein Land nicht Sympathie für eine die Regierung tragende Partei; schon gar nicht kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass deren weltanschauliche Fundierung, so sie eine hat, vom Sympathisanten geteilt wird. Der Senat hat daher wie die Vorinstanzen die Klage als unschlüssig abgewiesen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 13. Februar 2012 - 2 Sa 768/11 -