Skandal in der Schweiz
Vorsicht, Satire!
Die russische Botschaft in Bern droht der Neuen Zürcher Zeitung mit der Keule der Justiz. Grund ist eine Verballhornung von Wladimir Putin mit Clownnase. Darüber können Moskaus Diplomaten gar nicht lachen.
Damit wirklich jeder versteht, was die russischen Offiziellen von einer Glosse mit Fotomontage in der NZZ halten, hat die russische Botschaft in der Schweiz mit einem Offenen Brief reagiert - eine Woche nach Veröffentlichung der Satire. Er ist lang, umfassend, abschweifend, aggressiv - so etwas schreibt sich nicht in fünf Minuten. Wollte der Verballhornte auch erst noch mal selbst drauf gucken? Das Pamphlet richtet sich nicht nur gegen die Glosse, sondern gegen die gesamte NZZ-Berichterstattung über Russland und den Ukrainekrieg: "Wir sind gezwungen, festzustellen, dass Ihre Zeitung Aufsätze verschiedenartiger Autoren veröffentlicht, die ihre Erfindungen und Beschimpfungen hinsichtlich der Staatsführung Russlands knallhart und unbestraft verbreiten." Und schließlich heißt es: "Wir behalten uns das Recht vor, diese und mögliche künftige verleumderische und beleidigende Publikationen hinsichtlich der russischen Staatsführung in Ihrer Zeitung bei schweizerischen Strafbehörden anzuzeigen, nämlich wegen Verletzung von Art. 173 und 174 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (üble Nachrede und Verleumdung)."
Woher uns das bekannt vorkommt? Von Recep Tayyip Erdogan, dem türkischen Präsidenten, der den deutschen Entertainer Jan Böhmermann wegen eines Schmähgedichts vor Gericht zerrte. Der stand genauso auf der Spaßbremse wie sein Autokratenkollege Wladimir Putin. Nur verzichtete Erdogan damals auf einen Offenen Brief und lief direkt zum Gericht.
Wie die schweizerische Justiz entscheidet, wenn sie angerufen wird, ist offen. Aber es ist gut möglich, dass sich Putin nach einer roten Nase auch noch ein blaues Auge holt.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner