Schwurbler
Volle Rückendeckung
Haben sich Querdenker und Schwurbler zurückgezogen? Haben sie gar von ihren abstrusen Ideen abgelassen? Von wegen. Ihr liebstes Hassobjekt: Journalistinnen und Journalisten.
Mit einer koordinierten Kampagne wollen Querdenker, Impfgegner und andere Schwurbler einen Journalisten gezielt "zerstören". Der erfährt durch Recherchen von Kollegen durch Zufall davon. Der Fall, ein Schlaglicht, kein Einzelfall, zeigt: Wer über Verschwörungsideologen berichtet, wird schnell zur Zielscheibe. Auch wenn Querdenken und Co auf dem absteigenden Ast sind: Es ist ein frontaler Angriff auf die Pressefreiheit, der mehr über das Weltbild der Urheber solcher Aktionen aussagt, als ihnen lieb sein mag. Und: Die schrumpfende Rest-Menge radikalisiert sich weiter zusehends und wird zur echten Gefahr für die Demokratie.
Sebastian Leber berichtet in einer Kolumne im Tagesspiegel, wie er durch Zufall erfuhr, dass ausgerechnet Verschwörungsideologen sich gegen ihn verschworen hatten. Eine Recherche des Medienmagazins Zapp sowie geleakte Mails, die das Kollektiv Anonymus zur Verfügung stellte, offenbarte dem Reporter, dass es das "Who is who" der deutschen Schwurbler-Szene auf ihn abgesehen hatte.
Die vielen betroffenen Kollegen kennen es: Ohne zynische Namenswitze, ganz in Tradition der Propagandisten dunkler Zeiten, kommen Rechte oder Schwurbler nicht aus. So nannten sie ihre Aktion gegen den Journalisten "Leberschaden". Dort versammelten sich laut Lebers Bericht Impfgegner, Putinfans, Holocaustverharmloser und notorische Israelhasser - also jene, auf die Kolleg:innen in ganz Deutschland regelmäßig stoßen, wenn sie über Verschwörungserzähler berichten. Sie wollten eine "heitere Zerstörung" des Kollegen organisieren, parallel Texte über Leber veröffentlichen - eine gezielte Diffamierungskampagne.
Dass ausgerechnet jene, die eine Verschwörung geheimer Mächte erkannt haben wollen, sich verschwören, um einen Journalisten "heiter zu zerstören", das ist schon sehr zynisch. Es zeigt aber auch, dass die Gruppe jener, die versuchen, mit Fakenews, Mythen und Propaganda die Gesellschaft zu spalten, gerade in Journalist:innen einen Feind sehen. Journalismus, ein Projekt der Aufklärung, ist zwangsläufig eine Bedrohung für jene, die im Trüben fischen, die mit Desinformation Stimmung - und Geld - machen, die mit Propaganda aufwiegeln.
Die Gruppe der Schwurbler schwindelt. Corona als vereinender Kitt hält die heterogene Schwurbler-Truppe nicht mehr zusammen. Zu Hochzeiten standen Querdenker:innen Seit an Seit mit Rechtsextremen, Esoterikern, Q-Anon-Gläubigen und Klangschalen-Klöppelnden zu Tausenden auf Deutschlands Straßen, um gegen ein imaginiertes Masken-Unrecht wie Don Quijote anzukämpfen. Doch der verbleibende Rest radikalisiert sich. Putin-Versteher, Kämpfer gegen eine vermeintliche "Klima-Diktatur", willfährige Propagandisten für die autoritären Demokratie-Hasser dieser Welt. Sie zielen auf Journalist:innen - meinen aber die gesamte liberale Gesellschaft. Wir erinnern uns: Deutschland war im Ranking der Pressefreiheit abgerutscht, weil es so viel Gewalt wie noch nie gegen Medienschaffende gab. Hauptursache: das Querdenken-Spektrum.
Es ist die grundgesetzlich geschützte und gewollte Aufgabe von Kollegen wie Leber, solche Machenschaften zu entlarven, darzustellen, erklären. Dass die Entlarvten nun auf solch infame Art und Weise zurückschlagen zeigt, wie sehr die Arbeit wirkt. Spätestens die Reichsbürger-Razzien, die Tötung eines Tankstellen-Angestellten im Streit über das Maskentragen zeigen: Es geht nicht um harmlose Spinner. Verschwörungsgläubige können zu einer handfesten Gefahr für die Gesellschaft werden, sie sind es. Über sie zu berichten, auf allen Ebenen, vor allem bis hin in das Lokale, ist Pflicht für den Journalismus. Es ist unbequem, wie der aktuelle Fall zeigt, für die betroffenen Kolleg:innen. Sie brauchen volle Rückendeckung aus dem Kreis ihrer Kolleg:innen, aber auch aus den Medienhäusern, für die sie tätig sind. Und sie brauchen die Rückendeckung von uns allen, von der gesamten Gesellschaft, die mit den Schwurblern nichts am Hut hat.
Ein Kommentar von Mika Beuster