Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

VOICES FESTIVAL

Journalismus trifft Medienkompetenz

27.03.2024

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

"Wenn die Menschen sich von den Nachrichten abwenden, ist das der Tod der Demokratie”, sagt Divnia Frau-Meigs, renommierte Professorin und Expertin im Bereich Medien- und Informationskompetenz an der Sorbonne. Weiter fordert sie Journalist*innen auf, nicht von „Artificial Intelligence“ zu sprechen. „Was uns Sorgen bereitet, ist künstliche Information, nicht künstliche Intelligenz. So einfach ist das!”

KI als Werkzeug nutzen

In Zeiten, in denen die Technologie sich fast schneller entwickelt, als wir hinterherkommen, in der allein der Gedanke daran Befürchtungen und Ängste verursacht, ist nichts wichtiger als der Umgang damit. Es sind die Menschen, die entscheiden könnten, ob sie AI als Werkzeug oder als Waffe einsetzen.
Was also tun? Ein Festival ins Leben rufen, das Journalismus und Medienkompetenz vereint. Genau das haben die Organisator*innen EFJ, EUIEBUeaviJournalismeLie Detectors und SavoirDevenir sich gedacht und vom 14. bis 16. März das erste „European Festival of Journalism and Media Literacy“ mit dem Namen „Voices“ in Florenz umgesetzt.

1.300 Menschen in der Stazione Leopolda

1.300 Menschen kamen in die wunderschöne Stazione Leopolda – einen ehemaligen Bahnhof aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der einst von dem Architekten Enrico Presenti im neoklassischen Stil entworfen wurde und heute nichts von seinem Charme verloren hat. Ein Ort, der Altes und Neues vereint, passend für ein Event, in dem es um die Veränderung in der Beziehung zu Informationen, um die Auseinandersetzung mit KI und die dringend notwendige Befähigung aller Menschen geht, diese bahnbrechend schnellen Veränderungen zu bewältigen und eine gemeinsame Zukunft zu gestalten.

Faktenchecks, Cybersecurity, Empowerment

Das Ergebnis: Zwei inspirierende Tage, insgesamt 70 Vortragende, interaktive Workshops, Panels, Ausstellungen, ganz viel Networking. Journalismus und Faktenchecks, Eltern-Empowerment in der digitalen Welt, ein Talk mit DG MEME, Fabio Mauri, der mal eben auf herrlich satirische Art und Weise die Europäische Union in Memes erklärte.
Eine extrem beeindruckende Diskussion mit dem Titel „We are humans, hear our stories – Safety of Journalists“, in der Journalist*innen über ihre traumatischen Erlebnisse berichteten, sorgte für gebannte und betroffene Atmosphäre. Workshops zu Cybersecurity und Field First Aid mit Grant Wootton von der EBU-Academy vermittelten wertvolle Tipps. Wo muss ich drücken, damit der Blutfluss unterbrochen ist und eine Wunde nicht weiter blutet, wie kann ich eine Lage richtig einschätzen? Wichtige Infos, die im Notfall Leben retten können, auch wenn sie mitten im toskanischen Florenz weit weg wirken. Doch leider gehören sie für viele Journalist*innen, vor allem in Kriegsgebieten, zum Alltag.

Das Publikum mit an Bord holen

Die Worte von Divina Frau-Meigs fielen in einem Panel zum Thema „AI and Journalism: navigating the intersection of economics, ethics, policy and democracy”. Sie sprach über die Wichtigkeit, dass Journalist*innen ihr Publikum mit an Bord holen und diese nicht ausschließlich wie Nutzer*innen oder Kund*innen betrachten. Sie möchte wissen, was wer in die AI gespeist hat und pocht darauf, dass Journalist*innen, deren Inhalte genutzt wurden, dafür entlohnt werden. Weiter sagt sie: „Bitte sprecht nicht von KI-Halluzinationen, das sind Fehler.“

Zusammenarbeit statt Konkurrenz

Die Keynote zu diesem Panel lieferte Jyri Kivimäki, finnischer Journalist und Autor, der für YLE, die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Finnlands, arbeitet. Er präsentierte diverse Beispiele, wie sein Team AI nutzt, wie es gelingt, neue Techniken für alle nutzbar zu machen. Schritt für Schritt und in agiler Vorgehensweise. Wertvolle Prompts und Weiterentwicklungen werden allen Journalist*innen zur Verfügung gestellt, sodass nicht jeder jeden Fehler selbst machen muss. Es geht ums Miteinander.

Der Mensch muss das letzte Wort haben

YLE nutzt die KI, um repetitive Aufgaben erledigen zu lassen, für die Zusammenfassung von Lesermeinungen, zur Datenanalyse und weitere Tätigkeiten, die viel Zeit kosten. Stattdessen kann nun Zeit gespart und in Aufgaben investiert werden, die journalistische Kreativität und Interaktion benötigen. Doch auch YLE nutzt die KI natürlich nicht ohne Guidelines. Und die sind es, die notwendig sind, denn auch für Kivimäki ist wichtig, dass der Mensch immer das letzte Wort bzw. die Kontrolle über das hat, was veröffentlicht wird. „Entscheidungen werden von Menschen getroffen, und unser Einsatz von künstlicher Intelligenz erfolgt offen, transparent und unterstützt unabhängige Entscheidungen” sind nur zwei der Punkte, die zu den “Common Rules” von YLE gehören.

Journalismus als Public Good

Über dringend notwendige Regeln spricht auch Urska Umek vom Council of Europe. Sie stellt die “Guidelines on the responsible implementation of artificial intelligence systems in journalism” vor. Auch darin geht es um Transparenz, um den ethischen Umgang mit KI, um Menschenrechte und den verantwortungsbewussten Umgang mit den neuen Tools, um dem Entgegenwirken von Diskriminierung, um Risikomanagement und den Journalismus als „Public Good“, dessen Wichtigkeit auch EFJ-Dirketorin Renate Schroeder in einem anderen Panel betont. „Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, wir brauchen Zusammenarbeit“, sagt auch Umek.

Medien als vertrauenswürdige Informationsquelle

Eine massive Gefahr für den Ausgang der anstehenden Wahlen im Superwahljahr 2024 sieht Ali Ali-Abbas von der OFCOM. Er hofft, dass sich die Menschen an vertrauenswürdige Informationsquellen wenden und diese in Medien sehen, da Desinformation immer mehr wird. „Meine echte Sorge ist, dass sich die Menschen völlig von den Nachrichten abwenden.“

Aber wie kann das verhindert werden? Nicht nur Kivimäki, auch die anderen Panelteilnehmer*innen sind sich einig, dass die Menschen verstehen müssen, wie KI funktioniert und neue Fähigkeiten erlernen müssen, um so mit ihr umzugehen, damit sie nicht Waffe, sondern wertvolles Werkzeug wird. Fest steht auch, dass unabhängiger Journalismus das beste Gegenmittel gegen Desinformation ist.

Medien- und Informationskompetenz sind entscheidend

Um den demokratischen Herausforderungen im Zusammenhang mit KI zu begegnen, müssen laut Divina Frau-Meigs alle Beteiligten mobilisiert werden: Journalisten, aber auch die Zivilgesellschaft und Kulturvermittler. EMI (Empowerment through Media and Information Literacy) sei von entscheidender Bedeutung und sollte in das Design der Informations-KI integriert werden, sagt sie weiter.

Fakt ist, es gibt viele unterschiedliche Guidelines von unterschiedlichen Institutionen und Menschen – hier sei zum Beispiel auch die Paris Charter on AI and Journalism genannt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht noch mehr erreicht werden könnte, wenn Expertenwissen gebündelt in einer für alle gültigen Guideline festgehalten würde.

Fakt ist ebenfalls, dass die Welt sich verändert hat und es dringend neuer Methoden bedarf, um KI so einzusetzen, dass sie unterstützt statt schadet.

Zweite Ausgabe des „Voices“-Festival in Kroatien

Und Fakt ist auch, dass dieses erste “Voices“-Festival den Nerv der Zeit traf. Denn nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht.

Die nächste Ausgabe des „Voices“ Festivals wird im Februar 2025 in Zagreb stattfinden.
Ein Kommentar von Ute Korinth

DJV-Blog

Weitere Artikel im DJV-Blog

Kennzeichnungen
Kennzeichnungen

20.11.2024

Werbung ist Werbung

Warum kennzeichnen Zeitungen und Zeitschriften kommerzielle Angebote nicht durchweg als "Werbung"? Stattdessen wird immer häufiger gern von "Verlagsangeboten" geschrieben - und dabei übersehen, dass d …

Mehr
Trump und die Presse
Trump und die Presse

15.11.2024

Zieht euch warm an

Alle vier Jahre grüßt das Murmeltier. Oder Donald Trump. Wer hätte gedacht, dass der Ex-US-Präsident noch einmal als Kandidat antreten wird? Und wer hätte gedacht, dass dieser Kandidat die Wahl gewinn …

Mehr
Koalitions-Aus
Koalitions-Aus

07.11.2024

Ende zur Unzeit

Das Ende der Ampelkoalition kommt für uns Journalisten zur Unzeit. Wichtige Gesetzesvorhaben liegen jetzt wieder auf Eis. Das Nachsehen hat die Qualität des Journalismus.

Mehr
US-Wahl
US-Wahl

05.11.2024

Despotie zum zweiten?

Heute entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA darüber, wer für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus einzieht. Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab - auch für die Journalistinnen und Journali …

Mehr
Wahlen
Wahlen

01.11.2024

Wie gut wir es doch haben

In den USA tobt wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl eine mediale Schlammschlacht. CNN und Fox News überbieten sich gegenseitig mit Polemiken über Kamala Harries und Donald Trump. Und in der Öffen …

Mehr
Journalistenbefragung
Journalistenbefragung

30.10.2024

So sind wir wirklich

Eine großangelegte Studie zum Journalismus in Deutschland hat die TU Dortmund durchgeführt. Rechtsextreme versuchen bereits, daraus Honig zu saugen.

Mehr
US-Wahlempfehlungen
US-Wahlempfehlungen

29.10.2024

Wo die Erde bebt

Weil die Washington Post auf Geheiß von Eigentümer Jeff Bezos keine Wahlempfehlung vor der US-Präsidentschaftswahl abgibt, laufen ihr die Abonnenten in Scharen davon. Der erste spektakuläre Fall, bei  …

Mehr
Ministerpräsidentenkonferenz
Ministerpräsidentenkonferenz

28.10.2024

In die Büsche geschlagen

Die Ministerpräsidenten haben mit ihren Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem eines gezeigt: dass sie kein medienpolitisches Rückgrat haben. Blamabel.

Mehr
Tag der Entscheidung
Tag der Entscheidung

25.10.2024

Was muss noch passieren?

Heute beraten die Ministerpräsidenten über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Begleitet von Protesten der Kreativszene wollen die Länderchefs den Reformstaatsvertrag und damit das Aus f …

Mehr
Reformstaatsvertrag
Reformstaatsvertrag

24.10.2024

Online ohne Inhalte

Ein Teil des umstrittenen Reformstaatsvertrags ist der Versuch, die Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Digitalangebote ein für allemal zu unterbinden. Was das für die User bedeutet, hat die Tage …

Mehr
Journalismus
Journalismus

22.10.2024

Warum mache ich das - noch?

Das NDR-Medienmagazin Zapp hat eine beeindruckende Reportage über uns Journalisten und unser Umfeld gedreht. Eine Bestandsaufnahme mit Gruselfaktor.

Mehr
Gemeinnütziger Journalismus
Gemeinnütziger Journalismus

01.10.2024

Alles, nichts - oder?

Der gemeinnützige Journalismus braucht Rechtssicherheit. Warum das so ist, beschreibt Anne Webert, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende.

Mehr
Christopher Street Day
Christopher Street Day

30.09.2024

Wie eine Frischzellenkur

Bei mehreren CSD-Paraden war der DJV in diesem Sommer aktiv dabei. Eine Bilanz zieht Christian Schäfer-Koch, Vorsitzender des DJV-Fachausschusses Chancengleichheit und Diversity.

Mehr
Christoph Maria Fröhder
Christoph Maria Fröhder

25.09.2024

Ein Top-Journalist ist tot

Im Alter von 81 Jahren ist der freie Fernsehjournalist Christoph Maria Fröhder gestorben. - Ein Nachruf von DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner.

Mehr
BDZV
BDZV

20.09.2024

Wir hätten da eine Idee, Herr Eggers

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) bekommt einen neuen Hauptgeschäftsführer. Womit Jörg Eggers Geschichte schreiben könnte.

Mehr
ZDF-Streik
ZDF-Streik

19.09.2024

Wo bleibt die Aktualität?

Heute streiken die Beschäftigten des ZDF für höhere Einkommen. Aufgerufen hat unter anderem der DJV. Der Sender hat bereits reagiert und den Zuschauern am frühen Vormittag eine Voraufzeichnung des ZDF …

Mehr
Rechtsprechung
Rechtsprechung

18.09.2024

Reizschwelle Hitlergruß

Zum berüchtigten Sylt-Video gibt es jetzt zwei Gerichtsurteile, die sich scheinbar widersprechen. Aber nur scheinbar. Für Medien wird jetzt vieles klarer.

Mehr
BSW-Parteitage
BSW-Parteitage

16.09.2024

Wir müssen leider draußen bleiben

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat tatsächlich zwei Landesverbände gegründet, als seien die Parteitage Kaffeekränzchen in der guten Stube. Ein schlechtes Omen für das Verfassungsverständnis der neuen P …

Mehr
BSW
BSW

11.09.2024

Die nächsten Mediennörgler

Die Süddeutsche Zeitung hat untersucht, wie es das Bündnis Sahra Wagenknecht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält. Das Ergebnis aus journalistischer Sicht: Prost Mahlzeit.

Mehr
Doku "Die große Angst"
Doku "Die große Angst"

10.09.2024

Gänsehautfaktor

"Die große Angst." So heißt eine Dokumentation des MDR über die gesellschaftliche Lage in Ostdeutschland, die das Erste am Montagabend gesendet hat: exzellenter Journalismus mit Gänsehautfaktor.

Mehr