KÖLNER STADT-ANZEIGER
Vermarkter am Ruder
Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.
Eine Redaktion als verlängerter Arm der Marketingabteilung? Bei deutschen Medien undenkbar. Leider nicht bei allen. Denn der Kölner Stadt-Anzeiger geht neue Wege, die nichts Gutes verheißen. Ab Mai wird ein Verlagsmanager an der Redaktionsspitze von ksta.de stehen. Die Redaktion wird dann Teil des hausinternen Digital Competence Center (DCC). Der DJV NRW hat dagegen protestiert und die geplante Veränderung als "Irrweg, der der Marke KStA schadet", gegeißelt.
Warum macht der Verlag das? Als Vorteile werden kürzere Entscheidungswege und "ein schnelleres Wachstum im Lesermarkt (Plus-Abos), in der Werbevermarktung und der Integration von E-Commerce und Vorteilsangeboten" für die Nutzer identifiziert. Da nimmt man Proteste gern mal achselzuckend in Kauf.
Zumal es mit express.de hausintern ein Vorbild gibt. Beim Boulevardableger des Stadt-Anzeigers existiert die strikte Trennung von Redaktion und Verlag nur noch in der Erinnerung. Das könnte ein Grund dafür sein, dass sich kein nennenswerter Protest gegen die Verpflichtung von Klara Indernach regt. Eine reale Person dieses Namens gibt es nicht, aber unter den Initialen KI kann sich inzwischen jeder etwas vorstellen. Bei express.de steuert KI bereits 11 Prozent der Artikel bei, wie im gedruckten Kress Report nachzulesen ist. Wenn bei dem Portal eh schon die Vermarkter das Sagen haben, geht der Robotereinsatz ganz fix.
Blaupause für die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers? Das steht zu befürchten, wenn sich die Redaktion nicht dagegen stemmt. Am besten so lange es noch nicht zu spät ist.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner