Bildjournalisten
Urheberrecht durch Europäischen Gerichtshof generell in Frage gestellt?
Anything goes, denken jetzt manche aus der "Nutzerfraktion"
YouTube-Videos können auf Internetseiten eingebettet werden, ohne das Urheberrecht zu verletzen. Mit Einbetten ist dabei gemeint, dass die Videodatei weiter bei YouTube bleibt, aber auf einer anderen Seite abgespielt werden kann. Das YouTube-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.10.2014 überrascht professionell tätige YouTuber kaum. Denn bei YouTube können die Anbieter ohnehin frei entscheiden, ob sie ihre Videos für die Einbettung in anderen Seiten freigeben. Im konkreten Fall ging es darum, dass das Video eines YouTube-Anbieters auf der Seite eines Wettbewerbers per Framing eingebettet wurde. Für Nutzer der Seite konnte es wirken, als handele es sich um einen Inhalt, der von den Anbietern der Seite selbst produziert wurde.
Das Urteil ändert aus Sicht der Medienrechtlerin Dr. Susanne Reinemann nichts für besonders geschützte Videos, also auch diejenigen, die bei YouTube nicht zum Framing freigegeben wurden: "Filme, die durch eine Zugangssicherung (zum Beispiel Paywalls, Logins) geschützt sind, dürfen nicht unter Umgehung dieses Schutzes eingebettet werden. Gleiches dürfte für Videos gelten, bei denen die Embedding-Funktion bei Youtube blockiert wurde", schreibt sie im Blog der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien.
Was aber wäre die erste Konsequenz des - zunächst wenig spektakulär wirkenden - Urteils? Professionellen YouTuber ist noch mehr als früher dazu zu raten, dass sie ihre Filme bei An- und Abmoderation und auch zwischendurch mit deutlichen Hinweisen auf Urheber und Anbieter versehen, so dass potenziellen Wettbewerbern der Spaß am Einbetten genommen wird. Im Idealfall kommt sogar eine Win-Win-Situation zustande: Die einbettende Plattform macht kostenlose Werbung für den eigenen Wettbewerber, vielleicht sogar ohne es zu merken, denn mancher, der einbettet, schaut sich das fragliche Video gar nicht bis zu Ende an.
Eine Reihe von Juristen sieht jetzt aber eine weitere Konsequenz des Urteils. Sie sehen den Fall nicht nur auf den spezifischen Fall von YouTube-Videos begrenzt, sondern vertreten die Meinung, das Urteil erfasse die Einbettung jedes urheberrechtlich geschützten Inhalts. So meint beispielsweise Rechtsanwalt Christian Solmecke auf wbs-law.de: "Der Beschluss betrifft also nicht nur Youtube-Videos, sondern praktisch alle urheberrechtlich geschützten Inhalte im Netz. Das bedeutet zum Beispiel, dass es legal ist, fremde Fotos auf der eigenen Internetseite einzubinden. Eine Lizenz ist hierfür nicht erforderlich."
Bildjournalisten, aber auch Journalisten, die im Bereich Text oder Audio arbeiten, sind jetzt alarmiert. Die bange Frage: Kann das sein? Kann der Inhalt meiner Internetseite oder die meines Verlags von anderen faktisch geplündert werden, indem sie Links und Frames so einstellen, dass die Inhalte auf fremden Seiten angezeigt werden, als wären sie für diese Seite lizenziert?
Kern der Argumentation der Alarmfraktion im Urheberrecht: Der Europäische Gerichtshof sagt, dass im Einbetten/Framing zunächst keine Vervielfältigungshandlung zu sehen sei. Begründung: Die Datei werde nicht kopiert. Es handele sich aber auch nicht um eine eigene Wiedergabehandlung, denn dazu sei ein neues Publikum erforderlich. Wer einen Film im Netz für jedermann frei zugänglich präsentiere, denke an alle Internetnutzer als Publikum. Damit sei die Wiedergabe nicht anders als vom Anbieter gedacht.
Bei genauer Betrachtung ist die Bedeutung des Urteils zu relativieren. Es wird zunächst klar, dass es keine Anwendung findet, wenn der urheberrechtlich geschützte Inhalt in die Internetseite eines anderen kopiert wird. Wenn jemand Dateien von Texten, Bildern, Audios oder Video-Dateien auf seinen Server kopiert und diese Inhalte von dort aus aufgerufen werden, ist das YouTube-Urteil nicht anwendbar. Es geht nur um den begrenzten Fall, dass der Inhalt von einem Server geholt wird, auf dem er legal liegt.
Außerdem ist die Frage erlaubt, ob nicht zu berücksichtigen ist, dass der Fall speziell durch den Anbieter YouTube und dessen eigenen Möglichkeiten zur Rechteverwaltung beim Video geprägt ist, das heißt, es sich letztlich um einen Einzelfall handelt, der nicht auf alle Bereiche anderer Anbieter und Rechte übertragen werden kann.
Die spannende Frage aber lautet gleichwohl, ob dennoch der Fall erfasst sein kann, wenn jemand sich auf seiner Internetseiteb Bilder per Framing oder auch wie folgt besorgt. Statt die Datei auf dem eigenen Server zu speichern (definitiv genehmigungsbedürftig, Ausnahme Zitatrecht, aber bei Bildern sehr selten wirklich zu bejahen), würde im HTML-Text zu lesen sein: "<a href="http://www.seitexyz.de/bild1.jpg">. In diesem Fall holt sich der Server die Datei von der genannten Seite, d.h. nur im Browser des Nutzers wird diese Datei mit angezeigt, auf dem Server des Anbieters landet die Datei nicht. Bisher lautet die klare rechtliche Ansicht: Hierbei handelt es sich um eine neue Nutzung des Inhalts, diese muss vom Urheber genehmigt werden.
Dagegen meint beispielsweise Rechtsanwalt Clemens Pfitzer spezfisch zum Thema Framing: "Dies dürfte bei Bildagenturen und anderen Rechteinhabern die Alarmglocken klingeln lassen, da dies ohne weitere technische Schutzmaßnahmen bedeutet, dass z.B. ein Bild welches einmal mit Zustimmung des Rechteinhabers im Netz frei zugänglich gelandet ist, jedermann das Bild mittels Framing bei sich einbinden kann".
Doch ist das tatsächlich so einfach? Zunächst einmal gibt es bisher eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die hinsichtlich der Nutzung von Fotos von einer Genehmigungspflicht ausgeht. Es muss nicht davon ausgegangen werden, dass der Bundesgerichtshof eine Entscheidung, die hinsichtlich des spezifischen Dienstes YouTube und auch allein zum Framing ergangen ist, auf andere urheberrechtliche Felder überträgt.
Bei genauerer Betrachtung erscheint der Beispielsfall, dass ein Foto in einen neuen Beitrag einbaut, gerade auch als die Herstellung eines neues geistigen Zusammenhangs, der - auch unter urheberpersönlichkeitsrechtlichen Gesichtspunkten - sehr wohl eine Genehmigung des Urhebers voraussetzt. Schwieriger wird es eher dort, wo urheberrechtliche Inhalte "für sich allein stehend" präsentiert werden, also nicht in einem neuen inhaltlichen Zusammenhang präsentiert werden, sondern eben "eigenständig" vorgeführt werden. Zu denken wäre etwa an eine Bildergalerie, in die ein findiger Programmierer "Bilder des Tages aus dem Internet" vollautomatisiert ablaufen lässt, über den oben genannten Weg der Nennung des Links, ohne sie zu kopieren, zu kommentieren oder anders inhaltlich einzuordnen. Auch hier könnte aber entgegengehalten werden, dass die Einordnung von Bildern als "Bilder des Tages" bereits wieder in die - gerade urheberpersönlichkeitsrechtlichen - Ansprüche des Urhebers eingreift. Bleibt der Fall, wo das Foto vielleicht wirklich nur unter dem nichtssagenden Titel "Fotos aus dem Internet" präsentiert ablaufen. Hier könnte freilich wieder der Zusammenhang angreifbar sein, in dem die Bilder (auch) erscheinen.
Dabei bleibt es nicht allein beim Persönlichkeitsrecht des Bildjournalisten, sondern auch das der abgebildeten Personen. Mitunter erfolgt die Fotoaufnahme von Personen oder die Zustimmung zur Veröffentlichung unter der Voraussetzung, dass die Fotos nur in einem bestimmten Zusammenhang erscheinen, sachlich oder zeitlich. Natürlich müssen ein Bildjournalist oder abgebildete Personen die Möglichkeit haben, gegen beliebige Weiterveröffentlichungen vorzugehen.
Die Behauptung, dass derjenige, der Inhalte "frei" ins Netz stellt, damit auch das beliebige Absaugen akzeptiert, ist in der Konsequenz ein Anschlag auf das freie Internet. Er zwingt alle Anbieter von Inhalten, diese hinter Zugangsschranken zu legen, weil ansonsten die Fraktion der Kostenlos-Nutzer sich auf die absurde Ansicht versteift, dass jeder freie Zugang auch Weitergabe an alle bedeutet.
Es wird daher niemanden überraschen, dass der Deutsche Journalisten-Verband als Interessenvertretung der Bildjournalisten die Auffassung vertritt, dass aus dem YouTube-Urteil erst einmal nur etwas für den spezifischen Fall von YouTube folgt und nicht für Fotos und andere urheberrechtlich geschützte Inhalte. Der DJV wird seine Mitglieder in Fällen vertreten, in denen ihre Bilder mit Hinweis auf das Urteil verwendet werden und bei Bedarf auch den Weg bis zum europäischen Gesetzgeber beschreiten. Denn die Richlinien, auf deren Grundlagen der Europäische Gerichtshof entscheidet, können im Bedarfsfall natürlich präzisiert werden. Die Kontakte sind über die Europäische Journalisten-Föderation vorhanden.
Schon aktuell gibt es einen Fall, in dem eine Handwerkskammer im Norden Deutschlands per Wordpress-Plugin die Beiträge eines freien Journalisten übernahm. In diesem Fall wurde, was Techniker bestätigten, die Inhalte der Internetseite des Journalisten tatsächlich auf den Server der Handwerkskammer kopiert. Trotzdem behauptet die Handwerkskammer, es handele sich um ein legales Einbetten und verweist auf das YouTube-Urteil. Der Fall zeigt: Die Begierde nach kostenlosen Inhalten ist groß, und die einschlägigen Kreise sind bereit, auf Brechen und Biegen mit Europa zu argumentieren, wenn es ihnen ausnahmsweise mal von Nutzen scheint.
Der DJV vertritt die freien Journalisten hier in nachhaltiger Weise und wird sich natürlich durch Fehlinterpretationen europäischer Gerichtsentscheidungen nicht davon abhalten lassen, sich für das Selbstbestimmungsrecht der Urheber hinsichtlich ihrer Beiträge einzusetzen. Mitglieder sind gehalten, den DJV darüber zu informieren, wenn ihre Bilder mit entsprechenden Argumenten durch andere ohne Erlaubnis genutzt werden.
Michael Hirschler, hir@djv.de