RUSSLAND
Umgeben von ausländischen Agenten
Die Paranoia im Kreml muss groß sein: Allüberall sind ausländische Agenten am Werk, häufig getarnt als Journalisten. Jetzt wurde wieder ein Journalist drangsaliert, der für ein in Russland verbotenes Medium wirkt.
Sergej Sokolow heißt der Journalist, der am Donnerstagmorgen Besuch von der Polizei in Moskau bekam. Er wurde verhaftet und direkt zum Gericht gefahren. Dort wurde mit ihm kurzer Prozess gemacht: Er erhielt eine Geldstrafe von umgerechnet 300 Euro. Sein Delikt? Sokolow soll "Material auf dem Telegramkanal der 'Nowaja Gaseta' gepostet" haben, das "Anzeichen einer verbalen Diskreditierung der Handlungen" der Armee aufweise.
Als ausländischer Agent wurde erst im vergangenen Herbst Dmitri Muratow geächtet. Muratow war als Chrefredakteur der Nowaja Gaseta Sokolows Vorgänger. Nur der Friedensnobelpreis dürfte ihn vor Strafen beschützt haben - bisher. Vielleicht wirkt sich die internationale Auszeichnung auch auf Sergej Sokolow aus: Eine Geldstrafe von 300 Euro sind nach Maßstäben des Putinschen Willkürregimes geradezu eine Streicheleinheit. Der US-Journalist Evan Gershkovich sitzt immerhin seit rund einem Jahr in U-Haft.
Sergej Sokolow und die anderen verbliebenen mutigen Journalistinnen und Journalisten in Russland dürfen sich nicht einschüchtern lassen. Denn das wäre der endgültige Sieg der Diktatur, die Grundrechte wie die Pressefreiheit nicht einmal ansatzweise achtet. Und die Weltöffentlichkeit darf nicht damit aufhören, genau hinzusehen, was in Russland passiert. Das Weltinteresse ist auch ein Stück Reporterschutz.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner