Journalismus
Über die Bezahlschranke springen
Es klingt paradox: Gerade während der Corona-Krise dürstet es die Leser und Nutzer nach (lokal-)journalistischen Inhalten, wirtschaftlich aber können viele Verlage daraus wohl keinen Gewinn ziehen. Redaktionen verzeichnen Rekord-Zugriffswerte. In einer Umfrage der Zeitungsmarktforschung Gesellschaft ZMG geben 86 Prozent der Befragten an, die Tageszeitung sei eine wichtige Orientierungshilfe in der aktuellen Situation, sogar 96 Prozent halten die Berichterstattung für "besonders verlässlich". Sogar mehr Abos werden in vielen Regionen geschrieben, vom E-Paper bis zum eigentlich bereits totgesagten Printprodukt. Die Zeitung als regionales journalistisches Angebot lebt. Das ist auch ein Lob für die vielen engagierten Journalistinnen und Journalisten, die unter Druck gerade an vielen Orten in Deutschland Herausragendes leisten - und deutlich machen, dass sie mit dem Aufbereiten von Informationen sich einer gesellschaftlich außerordentlich relevanten Aufgabe stellen.
Doch während die Nachfrage nach journalistischer Arbeit steigt, klingelt bei den Verlagen nicht die Kasse, im Gegenteil. Der Werbemarkt ist drastisch eingebrochen. Damit gerät das bisherige Finanzierungsmodell von Qualitätsjournalismus in der Fläche vielerorts ins Wanken. Neben Versäumnissen aus der Vergangenheit: Hendrik Zörner wunderte sich an dieser Stelle etwa darüber, warum manche Verlage ihre Inhalte online noch immer "verschenkten". Daneben ist es bislang nicht überall gelungen, die digitalen Inhalte angemessen zu monetarisieren. Derzeit diskutierte Hilfen aus öffentlichen Mitteln können nur die Symptome dieser Strukturkrise lindern, das darunterliegende Grundproblem allerdings nicht heilen. Corona macht deutlich: Die Mischung aus "Online-Gratiskultur" und vielerorts fehlenden Bezahlmodellen zeigt nun verstärkt, dass Nutzer immer noch nicht immer bereit sind, den Wert journalistischer Dienstleistung auch zu honorieren, im Wortsinn.
Dort wo es im Regionalen Bezahlmodelle gibt, argumentieren Online-Kolleginnen und Kollegen lokaljournalistischer Angebote täglich tapfer in sozialen Netzwerken, wenn Nutzer die kostenlose Herausgabe auch aufwändig aufbereiteter und recherche-intensiver Artikel fordern und den Sinn von "Paywalls" nicht verstehen mögen. Der von Kolleginnen und Kollegen oft zitierte Vergleich, dass eine Nutzerin ja auch nicht zum Backladen um die Ecke gehe und dort die kostenlose Herausgabe von Backwaren fordere, vermag nicht zuverlässig zu überzeugen.
Journalistische Arbeit aber hat einen Wert. Sie kann nicht, wie jede andere professionelle Dienstleistung auch, verschenkt werden. In Corona-Zeiten merken viele Bürgerinnen und Bürger, wie wichtig es ist, eine professionelle Navigation durch den Nachrichtendschungel in Anspruch nehmen zu können. Das ist ein guter Anküpfungspunkt, hier auf die Leserinnen und Leser zuzugehen.
Ein solcher Beitrag, in Corona-Zeiten zu zeigen, welche Köpfe dafür sorgen, dass das Nachrichtenchaos täglich sortiert wird und Menschen sich verlässlich einen Überblick über das Geschehen verschaffen können, ist die Aktion #WirSindJournalismus. Kolleginnen und Kollegen zeigen dort Gesicht. Vielleicht hilft sie auch, sowohl Nutzer als auch Leser zu überzeugen, dass journalistische wertvoll ist. Und ihnen so einen Stupser für den Sprung über die Bezahlschranke zu geben.Ein Kommentar von Mika Beuster