Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

#IJF17

"Trump führt uns unsere Arroganz vor Augen“

21.04.2017

Peter Jebsen, Mitglied des Bundesvorstandes, war für den DJV beim International Journalism Festival. Die Themen reflektierten die heißen Eisen. Hier sein Bericht:

Das International Journalism Festival wird immer größer: Seine 11. Ausgabe, die vom 5. bis 9. April im italienischen Perugia (Umbrien) lief, bot über 250 Veranstaltungen mit mehr als 600 Referenten aus 44 Ländern und 2000 akkreditierten Journalisten, unterstützt von über 200 freiwilligen Helfern. Da etwa ein Drittel der Diskussionen simultan übersetzt wurde oder komplett auf Englisch stattfand, zog das Event auch Hunderte Gäste aus aller Welt an. Sie pendelten zwischen 15 Sälen im so prächtigen wie quirligen historischen Stadtzentrum von Perugia.

Die Themen der Konferenz, die keinen Eintritt kostet, reflektierten die heißen Eisen, die die internationale Medienszene bewegen: "Fake-News" und, damit verbunden, der Umgang der Medien mit US-Präsident Donald Trump, Social Media, Datenjournalismus, Austausch mit dem Publikum ("engagement") und die Lage der Medien in der Türkei. Sämtliche Programmpunkte wurden live gestreamt und sind auch noch nachträglich unter media.journalismfestival.com abrufbar.

Vollkommen überlaufen war ein Austausch zum Thema "#netzwende: Why Trump is the best thing to happen to journalism", der vom deutschen Online-Magazin Vocer mitorganisiert und von Stephan Weichert (Hamburg Media School) locker moderiert wurde. Guia Baggi (Investigative Reporting Project Italy/IRPI), Frederik Fischer (Piqd), Jeff Jarvis (Graduate School of Journalism CUNY), Adam Thomas (European Journalism Centre), Lina Timm (Media Lab Bayern) und Claire Wardle (First Draft News) lieferten zum Einstieg pointierte Impuls-Statements.

Dabei ging die 29-jährige Lina Timm ans Eingemachte: "Trump hat nichts verursacht, aber er hat einfach ans Licht gebracht, was in den letzten 30 Jahren schief gegangen ist", meinte sie. Viele Journalisten glaubten, besser zu wissen als das Publikum, was dieses zu interessieren habe: "Trump zeigte, wie arrogant wir unseren Lesern gegenüber sind und wie leistungsstark 'Digital-Only'-Medien schon auftreten." Blogger hätten oft einen viel direkteren Draht zu ihrer Zielgruppe. Clare Wardle hingegen sprach sich gegen überzogenen Trump-Hype aus: "Es gibt Millionen von Geschichten, die wir nicht abdecken, weil wir von Trump besessen sind."

Flüchtlinge und Migration seien Themen, um die sich Social Media nicht in der gebotenen Tiefe kümmerten, erklärte Marina Petrillo von der Organisation Open Migration beim Podium "Migration: the new frontier of storytelling". "Journalisten müssen rausgehen und die echten Geschichten von Migration suchen. Lange, ausführliche Stücke gehören zu den Formaten, die ein besseres Verständnis der Frage ermöglichen."

In Sachen "Fake News" bezog sich Jonathan Albright auf seinen Guardian-Artikel "Stop worrying about fake news. What comes next will be much worse" und warnte vor der Macht der Plattformen. Der britische Journalist sieht nicht Nachrichtenfälschungen, sondern den Kampf dagegen als gefährlicheren Gegner der Meinungsfreiheit: "Im kommenden Jahrzehnt werden von Künstlicher Intelligenz getriebene Filter, die von Technologieunternehmen entwickelt werden, die Legitimität von Informationen abwägen, bevor das Publikum jemals eine Chance bekommt, es selbst zu bestimmen." Es bestehe die Gefahr, dass alternative Stimmen zum Schweigen gebracht werden.

Eine dieser Plattformen war in diesem Jahr erstmals sehr prominent in Perugia präsent und startete nach einem zweifelhaften Auftritt im vergangenen Jahr eine Charme- und Scheckheft-Offensive (BuzzFeed). Facebook betrieb als Großsponsor eine Lounge, schmiss einen großen Stehempfang und schickte rund 30 Mitarbeiter in Workshops und auf Panels. Eine Phalanx von PR-Mitarbeitern organisierte private Treffen mit Keynote-Redner Adam Mosseri (Facebooks Vice President of Product for News Feed). Er stellte ein neues Programm vor, mit dem Facebook Nutzern in 14 Ländern helfen will, "Fake News" zu erkennen (laut SPIEGEL "ein Grundkurs Faktencheck für Anfänger").

Das einzige deutschsprachige Medium, das ausführlich aus Perugia berichtete, war übrigens Der Standard, für den Studierende des Instituts für Journalismus und Medienmanagement an der FH Wien der Wirtschaftskammer Wien unterwegs waren. Ihre Artikel sind auf einer Sammelseite abrufbar.

Mehr lesen...
Linkliste mit Artikeln zum Festival: Looking back at International Journalism Festival 2017: #IJF17 stories galore.Storify mit den Top-Tweets vom #IJF17.

DJV-Newsmeldungen Europa Internationales Online-Journalismus Qualität im Journalismus Termine Social Media Die letzten vier Meldungen der DJV-Startseite

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr