#IJF17
"Trump führt uns unsere Arroganz vor Augen“
Peter Jebsen, Mitglied des Bundesvorstandes, war für den DJV beim International Journalism Festival. Die Themen reflektierten die heißen Eisen. Hier sein Bericht:
Das International Journalism Festival wird immer größer: Seine 11. Ausgabe, die vom 5. bis 9. April im italienischen Perugia (Umbrien) lief, bot über 250 Veranstaltungen mit mehr als 600 Referenten aus 44 Ländern und 2000 akkreditierten Journalisten, unterstützt von über 200 freiwilligen Helfern. Da etwa ein Drittel der Diskussionen simultan übersetzt wurde oder komplett auf Englisch stattfand, zog das Event auch Hunderte Gäste aus aller Welt an. Sie pendelten zwischen 15 Sälen im so prächtigen wie quirligen historischen Stadtzentrum von Perugia.
Die Themen der Konferenz, die keinen Eintritt kostet, reflektierten die heißen Eisen, die die internationale Medienszene bewegen: "Fake-News" und, damit verbunden, der Umgang der Medien mit US-Präsident Donald Trump, Social Media, Datenjournalismus, Austausch mit dem Publikum ("engagement") und die Lage der Medien in der Türkei. Sämtliche Programmpunkte wurden live gestreamt und sind auch noch nachträglich unter media.journalismfestival.com abrufbar.
Vollkommen überlaufen war ein Austausch zum Thema "#netzwende: Why Trump is the best thing to happen to journalism", der vom deutschen Online-Magazin Vocer mitorganisiert und von Stephan Weichert (Hamburg Media School) locker moderiert wurde. Guia Baggi (Investigative Reporting Project Italy/IRPI), Frederik Fischer (Piqd), Jeff Jarvis (Graduate School of Journalism CUNY), Adam Thomas (European Journalism Centre), Lina Timm (Media Lab Bayern) und Claire Wardle (First Draft News) lieferten zum Einstieg pointierte Impuls-Statements.
Dabei ging die 29-jährige Lina Timm ans Eingemachte: "Trump hat nichts verursacht, aber er hat einfach ans Licht gebracht, was in den letzten 30 Jahren schief gegangen ist", meinte sie. Viele Journalisten glaubten, besser zu wissen als das Publikum, was dieses zu interessieren habe: "Trump zeigte, wie arrogant wir unseren Lesern gegenüber sind und wie leistungsstark 'Digital-Only'-Medien schon auftreten." Blogger hätten oft einen viel direkteren Draht zu ihrer Zielgruppe. Clare Wardle hingegen sprach sich gegen überzogenen Trump-Hype aus: "Es gibt Millionen von Geschichten, die wir nicht abdecken, weil wir von Trump besessen sind."
Flüchtlinge und Migration seien Themen, um die sich Social Media nicht in der gebotenen Tiefe kümmerten, erklärte Marina Petrillo von der Organisation Open Migration beim Podium "Migration: the new frontier of storytelling". "Journalisten müssen rausgehen und die echten Geschichten von Migration suchen. Lange, ausführliche Stücke gehören zu den Formaten, die ein besseres Verständnis der Frage ermöglichen."
In Sachen "Fake News" bezog sich Jonathan Albright auf seinen Guardian-Artikel "Stop worrying about fake news. What comes next will be much worse" und warnte vor der Macht der Plattformen. Der britische Journalist sieht nicht Nachrichtenfälschungen, sondern den Kampf dagegen als gefährlicheren Gegner der Meinungsfreiheit: "Im kommenden Jahrzehnt werden von Künstlicher Intelligenz getriebene Filter, die von Technologieunternehmen entwickelt werden, die Legitimität von Informationen abwägen, bevor das Publikum jemals eine Chance bekommt, es selbst zu bestimmen." Es bestehe die Gefahr, dass alternative Stimmen zum Schweigen gebracht werden.
Eine dieser Plattformen war in diesem Jahr erstmals sehr prominent in Perugia präsent und startete nach einem zweifelhaften Auftritt im vergangenen Jahr eine Charme- und Scheckheft-Offensive (BuzzFeed). Facebook betrieb als Großsponsor eine Lounge, schmiss einen großen Stehempfang und schickte rund 30 Mitarbeiter in Workshops und auf Panels. Eine Phalanx von PR-Mitarbeitern organisierte private Treffen mit Keynote-Redner Adam Mosseri (Facebooks Vice President of Product for News Feed). Er stellte ein neues Programm vor, mit dem Facebook Nutzern in 14 Ländern helfen will, "Fake News" zu erkennen (laut SPIEGEL "ein Grundkurs Faktencheck für Anfänger").
Das einzige deutschsprachige Medium, das ausführlich aus Perugia berichtete, war übrigens Der Standard, für den Studierende des Instituts für Journalismus und Medienmanagement an der FH Wien der Wirtschaftskammer Wien unterwegs waren. Ihre Artikel sind auf einer Sammelseite abrufbar.
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