Exile Media Forum
Synergien statt journalistische Ghettos
Journalist*innen im Exil als Bereicherung der Medienlandschaft
Als der preisgekrönte türkische Exiljournalist Can Dündar in der Elbphilharmonie seine bitteren Erfahrungen mit Verfolgung, Flucht und Inhaftierung schilderte, war das Publikum tief bewegt. "Zu jedem, der mir erzählt, ich sei zu weit von der Türkei entfernt, dem entgegne ich mit Thomas Mann: 'Wo immer ich schreibe, ist die Türkei‘“, sagte der ehemalige Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet in seiner Rede über sein Lebensgefühl im deutschen Exil.
Nach der von einem Konzert des Syrian Expat Philharmonic Orchestras abgerundeten Auftaktveranstaltung am Vorabend fand am Dienstag das erste »Exile Media Forum« der Körber-Stiftung statt. Ziel der Veranstaltung ist es, deutsche Medienschaffende und im Exil lebende Journalist*innen zusammenzuführen.
Dr. Carsten Brosda, Hamburger Senator für Kultur und Medien, hob in seiner Eröffnungsrede den hohen Stellenwert einer freien Presse im Zeitalter populistischer und rechtsnationaler Strömungen hervor. „Giftige Worte bilden die Basis für giftige Taten“, sagte er. Und: "Wir müssen aufpassen, wie in der Gesellschaft über Medien gesprochen wird." Dabei könne man von Erfahrungen der Exiljournalist*innen mit demokratiefeindlichen Strukturen viel lernen.
Neben der zentralen Frage wie verfolgte Journalist*innen unterstützt und eingebunden werden können, ging es in den Paneldiskussionen und Vorträgen auch darum, wie die deutsche Medienlandschaft von den Kolleg*innen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte profitieren kann. Der scheidende SPIEGEL-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer betonte, dass Exiljournalisten bei der Recherche schon heute eine enorme Rolle spielen würden. Auch habe das Gros der Medienhäuser mittlerweile erkannt, wie wichtig divers besetzte Redaktionen seien. An der praktischen Umsetzung hapere es aber wegen der zunehmenden Sparzwänge der Verlage, sodass es derzeit nur wenige Neueinstellungen von Journalist*innen unterschiedlicher Herkunft in den Redaktionen gäbe. Julia Stein von "Netzwerk Recherche" widersprach energisch: Das Kostenargument allein sei nicht tragbar, sagte sie. "Wir hätten das Ungleichgewicht in den Redaktionen schon viel eher erkennen können. Die Medien müssen die Gesellschaftsstruktur spiegeln." Der iranische Exiljournalist Omid Rezaee kritisierte in diesen Zusammenhang, dass es gerade den großen Medienhäusern an Offenheit fehle. Junge Journalist*innen, die nicht deutschstämmig seien, hätten deshalb oft Hemmungen, sich überhaupt zu bewerben. Sheila Myshorekar von den „Neuen Deutschen Medienmachern“ sieht darin auch ein habituelles Problem: Menschen mit Migrationsgeschichte hätten eben selten Väter, die mit den Intendanten Golf spielen würden. Als wichtiger Ansatzpunkt für eine diversere Medienlandschaft kristallisierte sich in der Diskussionsrunde deshalb eine gezielte Förderung des journalistischen Nachwuchses heraus. Zum Beispiel über die Journalismus-Schulen, die von etlichen Verlagen betrieben oder gefördert werden.
Auch die Verzahnung klassischer Medien mit den bestehenden Exilredaktionen in Deutschland wie etwa WDRforyou, taz.gazete, Amal, Berlin! oder ÖZGÜRÜZ stellt eine wichtige Perspektive dar – damit keine journalistischen Ghettos entstehen, sondern Synergien.
In den Berichten der Projektverantwortlichen wurde abschließend deutlich, dass es mehr Förderung für den Exiljournalismus braucht, da fast alle der jungen Redaktionen nur spärlich und befristet finanziert sind. Die Körber-Stiftung hat mit ihrer ebenso vielfältig wie hochkarätig besetzen Tagung bereits einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, das Bewusstsein für das Thema Exiljournalismus zu schärfen und entsprechende Netzwerkstrukturen aufzubauen. Eine jährliche Fortsetzung des »Exile Media Forums« ist geplant.Von Anna-Maria Wagner