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Insolvenzen

Sollen wir jetzt noch Medien beliefern? Die sonderbare Welt der freien Journalisten

16.11.2012

Nachrichtenagenturen und Traditionszeitungen fallen, schon bricht überall die medienübliche Panik aus. Unruhe auch und gerade bei den Freien.


Seitdem die Pleite bei großen Medienhäusern wie dapd, der Frankfurter Rundschau oder sogar bei Beteiligungen des Axel-Springer-Verlags wie tv.berlin anklopft, ist Panik angesagt. Kaum ein Medienmitarbeiter, der nicht sorgenvoll in die Zukunft denkt, die Werbekrise von 2000ff. steckt noch vielen in den Knochen, die sie eben erst wieder überwunden meinten.

Natürlich hat es ganz besonders wieder in vielen Fällen freie Journalisten getroffen. Kollegen, die von Olympia berichteten oder aus der Provinz, sie blieben auf ihren Rechnungen sitzen. Wurden ganz normale Gläubiger wie irgendein Teppichlieferant, mit wenig Aussicht auf ihr Geld. Ob es freie Journalisten waren, die schon immer auf viele Pferde gesetzt hatten oder Pauschalisten, die praktisch wie Redakteure beschäftigt wurden: Der Verlust von hart erarbeiteten Vergütungsansprüchen ist für viele schwerlich hinnehmbar. Zu knapp wird im freien Journalismus kalkuliert, zu groß ist das Engagement für die Beiträge gewesen, als dass die Nichtzahlung irgendjemand gleichgültig sein könnte.

Doch die Panik zieht Kreise. Das nächste Mediengerücht macht die Runde, schon wird von weiteren Insolvenzfällen gemunkelt. Und so kommt es zu den ersten Anfragen: "Macht es noch Sinn, den Verlag XY zu beliefern? Was wären meine Chancen, falls...?"

Ja, was wären die Chancen von Freien bei der nächsten Insolvenz? Ja, vermutlich wieder nur kleine, halbe, begrenzte Restzahlungen, oft genug einfach rein gar nichts. Es gibt für freie Journalisten in der Medienkrise keine Sicherheit, außer - für wenige, und das zu teuer gewordenen Konditionen - die "freiwillige Arbeitslosenversicherung".

Womit eigentlich einmal erstaunt gefragt werden darf, warum das alle Leute normal finden. Warum Redakteure, Drucker und Pförtner im Zweifel damit rechnen dürfen, für drei Monate Insolvenzgeld zu erhalten, während die im Regelfall noch viel abhängigeren, finanziell verletzbaren freien Journalisten wie Großlieferanten behandelt werden und sich neben diesen im Gläubigerausschuss aufhalten müssen, ohne große Aussicht auf Erfolg.

Warum eigentlich kein privilegierter, durch die Arbeitsagentur abzusichernder Anspruch der Freien auf Insolvenzgeld oder insolvenzgeldgleiche Leistungen? Wäre es nicht ein Gebot der Fairness, den Freien die tägliche Unsicherheit zu nehmen, indem ein solcher Anspruch - genau wie bei den Angestellten - im Raum stehen würde? Und dabei nicht nur für den eher engen Kreis der Arbeitnehmerähnlichen, sondern generell jeden freien "Dienstnehmer", damit eben auch der freie Journalist, der schon immer diversifiziert hat, seinen Teil mitnehmen kann?

Eine Medienszene, in der die Schwächsten, die mit den geringsten Einkünften am meisten um ihr Geld fürchten müssen, weil sie im Falle des Falles keinerlei Absicherung haben, ist mehr als nur seltsam.


Michael Hirschler, hir@djv.de

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