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Urheberrecht

Schutzfristen im Urheberrecht: Warum die Verlängerung im Musikbereich nicht ausreichend ist

04.11.2012

Nicht nur die Musiker! Auch die Bildjournalisten fragen sich, warum sie mit kurzen Schutzfristen benachteiligt werden.

Die Schutzfristen für die Werke ausübender Musiker sollen verlängert werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist vom Bundeskabinett am 31. Oktober 2012 beschlossen worden.

Zum Vorhaben erläutert die Bundesregierung:
„Bisher erloschen die Rechte an Aufzeichnungen von Darbietungen ausübender Künstler wie z.B. Musikern 50 Jahre nach ihrer Veröffentlichung. Bei Darbietungen, die auf einem Tonträger aufgenommen worden sind, verlängert sich dieser Schutz nun auf 70 Jahre. An den Zusatzeinnahmen der Tonträgerhersteller werden die Künstler über einen Vergütungsanspruch beteiligt.
Der Gesetzentwurf setzt eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2011 in deutsches Recht um. Er sieht weiterhin vor, dass bei Musikkompositionen mit Text die siebzigjährige Schutzfrist für Komponisten und Textdichter nicht mehr getrennt, sondern einheitlich nach dem Tod des Letztverstorbenen berechnet wird.“

So sehr die Verlängerung der Schutzfristen zu begrüßen ist, so sehr stellt sich auch die Frage danach, warum es nicht zu einer Verlängerung von Schutzfristen auch in anderen Bereichen kommt. Denn eine Schutzdauer von nur fünfzig Jahren gibt es nach wie vor immer noch für Lichtbilder. Leidtragene dieser Regelung sind Bildjournalisten und ihre Angehörigen.

Der Hintergrund: Fotos fallen im deutschen Urheberrecht in zwei unterschiedliche Gruppen. Die erste Gruppe sind die so genannten Lichtbildwerke. Das sollen aufwändig produzierte Fotografien sein, wobei der Aufwand nicht unbedingt in der technischen Ausrüstung, sondern vor allem in der Wahl der Handlung, des Ortes, der Zeit, der Lichtbedingungen und anderer Punkte liegen soll. Diese „Werke“ sind bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen geschützt. Zur zweiten Gruppe gehören so genannte „einfache“ Fotografien, die als Lichtbilder bezeichnet werden. Sie werden nur bis zu 50 Jahren nach Herstellung oder Erscheinen geschützt.

Wann aber ist eine Fotografie „einfach“ und wann so „aufwändig“, dass von einem Werk gesprochen werden kann? Kommt es nicht auch bei politischen Veranstaltungen darauf an, aus welchem Winkel, mit welchen Leuten oder Symbolen im Hintergrund fotografiert wurde? Ist ein Foto „einfach“, wenn es „im Vorübergehen“ geschossen wurde, die Fotografin dafür aber mitten ins Bürgerkriegsgebiet reisen und ihr Leben risikieren musste?

Weil die Abgrenzung von Lichtbildwerken und Lichtbildern so schwierig ist und die Gerichte unendlichen Prozessen aussetzen würde, gilt im deutschen Recht grundsätzlich, dass Lichtbilder wie Lichtbildwerke geschützt sind. Grundsätzlich ein sehr pragmatischer Ansatz, der die Bildjournalisten wie auch den Bildnutzer vor langwierigen Auseinandersetzungen schützt.

Anders ist es aber bei den Schutzfristen. Hier gilt nach wie vor die unpraktische Unterscheidung zwischen Lichtbild und Lichtbildwerk. Folge: Rechtliche Unsicherheiten bei der Nutzung und zudem gravierende finanzielle Nachteile für Bildjournalisten und ihre Angehörigen, wenn ein Bild tatsächlich nur als Lichtbild einzustufen wäre.

Schutz bis zu 50 Jahren nach Herstellung bzw. Erscheinen, das hört sich grundsätzlich erst einmal sehr lange an. Warum sollte da nicht der freie Netzbürger und so mancher Netzunternehmer und sonstige Verleger sich nicht kostenlos an Bildern bedienen dürfen? Welchen Wert haben denn solche alten Bilder ohnehin noch? Und dienen Schutzfristen nicht ohnehin nur den Verlegern?
Falsch, wissen viele Bildjournalisten. Zum einen sind gerade ältere Bilder von ungeahntem ökonomischen Wert für manchen Berichterstatter. Damals, als in jungen Jahren, konnte mit strotzender Gesundheit weltweit gereist werden, man oder frau traf noch unbekannte Künstler, Musiker, Politiker, die – weil noch unbekannt – noch nicht von Agenturen abgeschirmt wurden. Tolle Bilder entstanden. Bei manchen Bildjournalisten machen die Bilder der ersten zwanzig Jahre das spannendste Bildmaterial aus. Damals, die Kinder noch nicht da waren, als noch bis zum sprichwörtlichen Erbrechen im Graben vor der Rockband fotografiert werden konnte.

Ein Kollege verweist immer wieder auf seinen Elefanten. Der Elefant, den er 1972 in Afrika fotografierte. Ein klasse Bild. Bis heute wird das Bild bis zu zehnmal im Jahr von Kunden genutzt, - für Kinderzeitschriften, Tierseiten in Tageszeitungen und von Buchverlagen. „An dieser Mehrfachnutzung ist nichts Falsches“, sagt der Kollege. „Die Evolution im Tierreich ist nicht so schnell, dass ein gutes Foto aus dem Jahr 1972 nicht auch noch im Jahr 2012 verkauft werden dürfte. Und die Leute wollen ein gutes Elefantenfoto, aber nicht unbedingt einen Elefanten, der gerade im Jahr 2012 durch Afrika gelaufen ist.“ Doch er schaut mit Sorge in die Zukunft. Seine Bilder, die er in den siebziger Jahren produziert und veröffentlicht hat, stehen dann auf der urheberrechtlichen Kippe. Lichtbild? Lichtbildwerk? Was kann er tun, wenn einer der Verlage, für die er arbeitet, sich plötzlich auf das Auslaufen der Schutzfristen beruft?
Begeisterte Bildjournalisten beginnen oft schon  mit 15 Jahren zu fotografieren, und die Lebenserwartung geht immer weiter Richtung 80, 90 Jahre. Das heißt, ab dem Alter von 65 Jahren beginnen viele Bildjournalisten bereits die Rechte an ihren Bildern zu verlieren.

Wieso aber sollte es normal sein, dass man bereits zu Lebzeiten die Rechte an den eigenen Bildern verliert? Und was ist daran gerecht, wenn ein Bildjournalist – wie kürzlich ein französicher Kollege in Tunesien – schon früh mit 40 Jahren ums Leben kommt, seine Witwe aber noch bis 90 lebt, aber ab 70 oder 80 keinerlei Rechte mehr an Bildrechten geltend machen kann? Warum sollte eine Schutzfrist nicht bis zu 70 Jahren nach dem Tod – und länger – gelten? Hauseigentum verfällt ja auch nicht, weder nach 25, 50 oder 70 Jahren nach dem Hauskauf. Warum sollen Bildjournalisten Miete zahlen, wenn ihre eigenen Rechte durch den Gesetzgeber für unwirksam erklärt werden?

Das Problem stellt sich für viele Bildjournalisten als gravierend dar. Gerade im Alter, wenn sie weniger reisen können oder der Auftragseingang zurückgeht, sind Lizenzeinnahmen aus „alten“ Bildern wichtig. Vielleicht sogar, um das gesamte Bildarchiv einmal zu verkaufen oder zu versteigern. Aber wie soll das gehen, wenn die Bilder zum Teil als gemeinfrei gelten?
Ein Argument aus der Anti-Urheberrechtsszene rund um die Piratenpartei und ihren Adepten bei Teilen der GRÜNEN und der LINKEN sowie dem Kreis der Publizisten rund um „irights“-Plattform können Bildjournalisten kaum nachvollziehen: Dass die Schutzfristen allein den Verlagen nützen. „Es mag sein, dass viele Wortjournalisten ihre Rechte komplett abtreten und viele ihre Beiträge ohnehin mangels Aktualität nur in Grenzen verwertbar sind“, meint ein Bildjournalist. „Viele Bildjournalisten haben allerdings schon frühzeitig Wert darauf gelegt, dass sie ihre Rechte an Bildern nicht komplett und für alle Zeiten abtreten. Viele meiner Kollegen haben zahlreiches Material im Bildarchiv, an dem ihnen nach wie vor alle Rechte zustehen. Für dieses Material bekommen sie auch noch Jahrzehnte nach der ersten Nutzung durch den Verlag stets wieder neue Lizenzgebühren.“

Die Fragen der Bildjournalisten wenden sich damit an die Politik. Für viele heißt die Forderung, die unsinnige Begrenzung auf 50 Jahre nach Herstellung bzw. Erscheinen abzuschaffen und einheitlich – wie bei den Lichtbildwerken – auf mindestens 70 Jahre nach dem Tod festzulegen. Eine Frage, die im DJV und anderen Fotografenverbänden in den nächsten Jahren intensiv diskutiert werden. Vielleicht auch schon auf dem DJV-Verbandstag, der an diesem Montag, 5. November, in Kassel beginnt.

Michael Hirschler, hir@misaificadjv.de




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