Schutz oder Feigenblatt?
Facebook. Bild: canva.com
Facebook will Journalistinnen und Journalisten besser schützen. Bisher durfte man beispielsweise öffentlich den Tod von Medienschaffenden fordern. Damit soll jetzt Schluss sein.
Es mutet wirklich skurril an, was Facebook da an „Schutz“ für Medienschaffende anbieten will: Das Netzwerk wird Journalistinnen und Journalisten zukünftig als „unfreiwillige Personen des öffentlichen Lebens“ einordnen. Damit darf dann beispielsweise nicht mehr öffentlich deren Tod gefordert werden. Auch schwere und unerwünschte erniedrigende oder sexualisierte Beiträge, z.B. beleidigende Kommentare zum Aussehen, sollen nicht mehr zugelassen werden. Heißt das umgekehrt, dass das alles für Facebook bisher anscheinend ganz ok war? Der Tod von prominenten Personen darf übrigens weiterhin gefordert werden, solange diese nicht markiert oder direkt erwähnt werden. Einen „offenen Dialog“ über diese Personen nennt Facebook das, so Antigone Davis Facebooks Managerin für weltweite Nutzer-Sicherheit.
Man wolle das „von Fall zu Fall“ entscheiden, eine öffentliche Liste der geschützten Personen soll es nicht geben. Wie dieser Schutz bei individuellen Fallentscheidungen wahrscheinlich aussehen wird, braucht bei der Überforderung der Algorithmen und menschlichen Mitarbeitenden von Facebook nicht viel Vorstellungskraft, man kann das aktuell immer wieder bewundern: Klar erkennbare journalistische Beiträge, die Missstände anprangern, werden gesperrt, während Hass, Drohungen und Falschinformationen von den verschiedensten Seiten weitgehend unbeanstandet bleiben.
Weltweit haben Beleidigungen, Drohungen und Übergriffe auf Medienschaffende zugenommen, auch in Deutschland. Jeder Schutz von Journalistinnen und Journalisten ist begrüßenswert. Statt aber konsequent und transparent gegen Hass, Hetze und Desinformation auf seinen Plattformen vorzugehen, schafft Facebook ein weiteres Mal leider nur ein billiges Feigenblatt, das vielleicht auch von der Aussage der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen vor dem US-Senat und den dort veröffentlichten massiven Problemen des Netzwerks ablenken soll. Ein bisschen gute Presse hat Facebook gerade nötig.
Ein Kommentar von Paul Eschenhagen