Freie an Rundfunkanstalten
Schluss mit der Zwei-Klassen-Gesellschaft!
Erster Kongress der Freien in der ARD
Es gibt ihn, den Typus des überzeugten freien Journalisten. Einer von ihnen ist Knud Zilian. Er ist seit 35 Jahren an der Rundfunkanstalt tätig - aber ohne rosa Brille. Auch für Überzeugungstäter wie ihn gibt es Probleme, für deren Lösung sich Freie engagieren müssen. Deswegen ist Zilian auch im DJV und im Personalrat seines Senders, dem Hessischen Rundfunk, aktiv. Denn dort sind auch freie Mitarbeiter im Personalrat vertreten, sie können ihn wählen und gewählt werden.
Zilian nahm wie viele andere Vertreter von Freien aus Rundfunkanstalten am ersten Kongress der Freien in der ARD teil, der am 22./23. April in Berlin stattfand. Themen gab es viele, und die Gelegenheit zum engagierten Erfahrungsaustausch wurde intensiv genutzt.
Die Frage der Mitbestimmung der Freien stand dabei im Mittelpunkt. Die Zahl der Rundfunkanstalten in Deutschland, an denen Freie auch einen Platz im Personalrat haben, ist in den letzten Jahren gewachsen. Zuletzt kam der WDR hinzu. Doch viele Freie – beispielsweise am Rundfunk Berlin-Brandenburg, beim Bayerischen Rundfunk, beim Norddeutschen Rundfunk oder der Deutschen Welle (und das sind noch nicht alle) – stehen außerhalb der Zuständigkeit der Personalräte.
Selbst dort, wo es Vertretung gibt, liegt vieles im Argen. Freien Journalisten werden als das „ganz Andere“ behandelt, elementare soziale Rechte werden ihnen verweigert, weil sie keine offiziell anerkannten Arbeitnehmer sind. Die Personalräte müssen selbst dort, wo sie für Freie zuständig sind, um praktisch jede Frage ringen. Prozesse bis hin zum Bundesverwaltungsgericht sind keine Seltenheit.
Kann die Einrichtung von Freienvertretungen die fehlende Personalratsvertretung ersetzen? Nein, antwortete die klare Position der Tagung. Das gelte auch dort, wo die Freienvertretung durch offizielle Anordnungen institutionalisiert wurde, beispielsweise beim RBB. Christoph Reinhardt von der Freienvertretung machte in einer Stellungnahme klar, dass die Vertretung wegen mangelnder Kompetenzen in vielen Fragen nicht handlungsfähig ist.
Erkenntnisse, die offenbar auch bei anwesenden Politiker für Nachdenklichkeit sorgten. So kam der Berliner SPD-Medienpolitiker Frank Zimmermann, der auch Mitglied im Rundfunkrat ist, in der Debatte zur überraschenden Erkenntnis, die Politik habe die Regelung der Vertretung der Freien „vermurkst“, hier müsse in der nächsten Legislaturperiode für eine Vertretung im Personalrat gesorgt werden. Ob Lippenbekenntnis angesichts eines engagierten Publikums, Wahlkampftaktik oder ehrliche Überzeugung, darüber kann natürlich trefflich spekuliert werden. „Bei meinen Gesprächen mit Mitgliedern des Rundfunkrats habe ich keinerlei Interesse für die Probleme der Freienvertretung bemerkt“, kritisierte beispielsweise DJV-Justiziar Benno H. Pöppelmann.
Probleme haben nicht nur die „festen“ Freien, auch die unregelmäßiger tätigen „freien Freien“. Gerade sie sehen sich zwischen allen Stühlen und fordern Augenmerk für ihre speziellen Belange, so eine mehrfach vorgetragene Forderung.
Es ging nicht nur um Vertretungsfragen, sondern auch um den praktischen Umgang von Sendern mit Mitarbeitern. „Ich vermisse einen Plan zur Personalentwicklung bei freien Mitarbeitern“, kritisierte Knud Zilian. Eine andere freie Mitarbeiter warf ihrem Sender, dem RBB, vor, mit überlanger dreimonatiger „Sommer- und Sendepause“ zahlreiche Mitarbeiter ohne Einkommensperspektive zu lassen. Freie müssten solche langen Beschäftigungspausen mit Krankmeldungen überbrücken – das sei alles nicht zumutbar.
Pausen, die nicht einmal geleugnet werden: Den Sender fehle das Geld und würden die Unterbrechungen tatsächlich aus Etatgründen praktizieren, bestätigte die RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle. Allerdings müssten sich Freie auf solche Pausen einstellen.
Die Qualität leidet unter der Sparpolitik. Wenn sie für die ARD in den Niederlanden unterwegs ist, muss sie die Reisekosten selbst tragen, kritisierte die freie Korrespondentin Kerstin Schweighöfer. Ein freier Kollege, der in Moskau als Korrespondent tätig ist, sekundierte. Nach seiner Beobachtung führt die prekäre Situation der freien Mitarbeiter dazu, dass in der Berichterstattung ungewohnte Themen und Stellungnahmen vermieden werden, wenn sie zu Kontroversen führen könnten.
Kritik an der sozialen Verantwortung, Kritik am Programm der Sender: „Ich muss nach 35 Jahren Tätigkeit als Freie feststellen, dass ich eine Rente von nur 400 Euro erhalte, und dann auch noch zusehen, wie der Bildungsauftrag des Senders Jahr für Jahr weniger erkennbar wird, und dass das vorhandene Geld nicht für sinnvolle Formate, sondern für wertlose Quizsendungen und Schlagermusik ausgegeben wird, da frage ich mich, wozu ich hier überhaupt gearbeitet habe“, so die Kernaussage einer sehr emotionalen Stellungnahme einer freien Journalistin im Publikum.
Die zweitägige Veranstaltung behandelte diese und andere Themen auf Podiumsdiskussionen, in unterschiedlichen Panels und Arbeitsgruppen. Eine ausführliche Resolution unter der Überschrift „Schluss mit der Zwei-Klassen-Gesellschaft!“ wurde nach intensiver Diskussion verabschiedet. Berichte zur Tagung finden sich auf der Seite der Freien-Initiative „RBBPro“ sowie auch beim RBB-„Medienmagazin“: STREAM: http://ow.ly/4n3uEN - MP3-Download: http://ow.ly/4n3uH6 (ab Minute 40:36); bei Twitter finden sich Tweets zum Thema unter dem Hashtag #ARDFrei, aus den Beiträgen zum Kongress wurde auch eine Storify-Geschichte gemacht, die hier abrufbar ist.
Michael Hirschler, hir@djv.de