Burda
Schein und sein
Fast zeitgleich mit der Ankündigung, 53 Redakteure von TV Spielfilm auf die Straße zu setzen, sprach Burda-Vorstand Philipp Welte von der Bedeutung des Journalismus für die Demokratie. Meinte er damit alle, nur nicht sein eigenes Haus?
"Wir stehen tatsächlich mitten in einem epischen Kampf, in dem es um die Wahrheit geht, um die wirklich freie Meinungsbildung und damit auch um den freien Journalismus, der ein Kraftzentrum jeder wahren Demokratie ist. Verlage stehen für verlässliche Inhalte im Sinne des Presserechts und für die bedingungslose Suche nach der Wahrheit." Diese an Bedeutung kaum zu überbietenden Sätze formulierte Burda-Vorstand Philipp Welte für einen Gastbeitrag, den der Tagesspiegel am 23. Juli veröffentlichte. Nur einen Tag später erfuhr die Redaktion des Burda-Titels TV Spielfilm in einer Betriebsversammlung, dass sie demnächst überflüssig ist, dass alle 53 Redakteure ihre Jobs verlieren. Die Inhalte produziert dann die Funke-Mediengruppe als Redaktionsdienstleister.Wie passt das zusammen? Wie kann ein Verleger, der offenbar die Bedrohungen des Wandels in der digitalen Medienwelt verstanden hat, einen "epischen Kampf" ausrufen und gleichzeitig diejenigen vor die Tür setzen, die er als Kampftruppen braucht? Ein weiteres Zitat findet sich in Weltes Text: "Unsere Aufgabe und unser Auftrag ist es, eine Zukunft für den Journalismus der Verlage unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts zu schaffen. Dafür kämpfen wir. Denn der Tag, an dem wir aufhören, für die Freiheit der Presse und damit für die Freiheit an sich zu kämpfen, ist der Tag, an dem die Freiheit stirbt."So ernst kann das mit dem Kampf nicht gemeint gewesen sein. Die Belegschaft von TV Spielfilm jedenfalls ist wütend, vor allem seit sie gehört hat, dass Funke schon im November übernehmen soll. Burda kann es offenbar nicht schnell genug gehen, sich von seiner TV Spielfilm-Crew zu trennen. Und wenn das erst passiert ist, kann Philipp Welte weiter aufmunternde Gastbeiträge über heldenhaft kämpfende Verlage abfassen.Ein Kommentar von Hendrik Zörner