Sexismus
Eine Schande für den Journalismus
Sawsan Chebli. Foro: Wolfgang Komm/dpa
Ein sexistischer Text über die SPD-Politikerin Sawsan Chebli schlägt hohe Wellen. Zuerst tritt die CSU-Politikerin Dorothee Bär aus der Ludwig-Erhard Stiftung aus, nun legt der für den Text verantwortliche Roland Tichy den Vorsitz der Stiftung nieder.
Die von dem Journalisten Stephan Paetow verfasste und in der Publikation „Tichys Einblick“ veröffentlichte, vermeintlich satirische Bemerkung gegenüber Sawsan Chebli ist unbestreitbar als sexistisch einzuordnen. Verbale sexuelle Übergriffe können und dürfen nicht mit einem Etikett "Satire" legitimiert werden. Sie ist ein Paradebeispiel für weiterhin bestehenden Sexismus in journalistischen Erzeugnissen. Dass Roland Tichy nun seinen Vorsitz aus der Ludwig-Erhard Stiftung abgibt, ist ein schwacher Trost. Es zeigt aber, dass der Austritt aus der Stiftung von Dorothee Bär wichtig war. Wenn wir Frauenfeindlichkeit und Sexismus aus dem Journalismus verbannen wollen, müssen wir Männer uns genauso solidarisch zeigen wie Bär.
Eine Politikerin auf einen Bestandteil ihrer Vagina zu reduzieren und diesen auch noch als einzigen Vorteil gegenüber ihrem männlichen Gegenkandidaten zu definieren, zeugt nicht nur von schlechtem journalistischen Stil, sondern ist auch als frauenfeindlich, grenzüberschreitend, beleidigend und übergriffig zu werten und auf das schärfste zu verurteilen. Sexismus darf in keiner Form - auch nicht in vermeintlich humoristischer - Bestandteil journalistischer Erzeugnisse sein. Sie schadet dem journalistischen Berufsstand und fördert Frauenfeindlichkeit und Diskriminierung.
Der Austritt Dorothee Bärs aus der Ludwig-Erhard Stiftung zeigt, dass Solidarität selbst Parteigrenzen überwindet. Roland Tichy gibt nun den Vorsitz der Ludwig-Erhard Stiftung ab. Ich bezweifle, dass dies passiert wäre, hätte die CSU-Politikerin nicht den wichtigen ersten Schritt gemacht, sich solidarisch mit Sawsan Chebli von der SPD zu zeigen und aus der Stiftung auszutreten. Die Mitglieder der Ludwig-Erhard-Stiftung, die übrigens lediglich zehn weibliche Mitglieder zählt, könnte nun ihrerseits ein wichtiges Zeichen setzen und eine Frau zur Vorsitzenden wählen. Es wäre ein positives Signal für die Gesellschaft und würde demonstrieren, dass man es wirklich ernst nimmt und nicht einfach wieder zum Alltag übergeht. Diese Anfeindung gegenüber Sawsan Chebli ist nämlich kein Einzelfall, der nur sie betrifft. Er findet tagtäglich statt: in der Politik, im Journalismus, in unserer Gesellschaft. Die Zeit ist endgültig vorbei, dass man solche Fälle nur anprangert und dann zum Alltag übergeht. Es muss aktiv dagegen vorgegangen werden.
Wenn wir Gleichberechtigung ernst nehmen wollen, müssen auch Männer ihre Stimme erheben und die gleiche Solidarität wie Dorothee Bär zeigen, wenn sie Zeugen von Sexismus werden. Ich schäme mich persönlich sehr, wenn ich Zeilen wie die von Paetow lese und kann nicht stillschweigend solche frauenverachtenden Zeilen hinnehmen.
Erzeugnisse dieser Art sind unzweifelhaft eine Schande für den Journalismus und dürfen in keiner Weise toleriert werden.
Ein Kommentar von Stefan Kiske, stv. Vorsitzender des DJV-Bundesfachausschusses "Chancengleichheit und Diversity"