Content Marketing
Rettungsanker oder Sargnagel?
Kontroverse Diskussionsrunde bei Besser Online
Lutz Frühbrodt ist, was Content Marketing angeht, ziemlich skeptisch: Aber als „Hüter der reinen Lehre des Journalismus“, wie Moderatorin Harriet Langanke den an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt lehrenden Professor einführte, betrachte er sich nicht.
Frühbrodt hat im Frühjahr 2016 zusammen mit Annette Floren für die Otto-Brenner-Stiftung das Arbeitsheft „Content Marketing – Wie ‚Unternehmensjournalisten‘ die öffentliche Meinung beeinflussen“ veröffentlicht. Er sieht im Content Marketing unter anderem eine neue Konkurrenz für den Journalismus, es sei „Marketing mit redaktionellen Mitteln, eine Ersatzform für Werbung“. Es könne ein weiterer „Sargnagel“ für den Journalismus sein.
Freilich sei das Rad nicht zurückzudrehen, weiß Frühbrodt, der in Würzburg Unternehmenskommunikation und Fachjournalismus lehrt. „In der Ausbildung versuchen wir die Grenzen aufzuzeigen“, sagte der Journalistenlehrer.
„Nutzer nicht nerven“
Sabine Wegele arbeitet als Head of Content Marketing bei Nayoki – einer Münchner Agentur für Digitales Business, die ihren Kunden ein umfangreiches Portfolio digitaler Werbeformen anbietet. Wichtig sei es dabei vor allem, die Zielgruppen nicht mit „nerviger Werbung zu verärgern“. Beim Content Marketing publiziere man u.a. auf Blogs, Websites und in Newslettern Inhalte für Unternehmen. Damit die Inhalte qualitativ sehr gut sind, arbeite man ausschließlich mit gelernten Redakteuren zusammen, betonte Wegele.
Content Marketing kommt gut an
Karsten Lohmeyer ist Chief Content Officer der digitalen Content Marketing-Agentur The Digitale, einer hundertprozentigen Tochter der Deutschen Telekom. Der Münchner Journalist, der privat das Blog Lousy Pennies betreibt, beschrieb seine Tätigkeit so: „Ich arbeite mit journalistischen Werkzeugen, ich bin ein Konkurrent des Journalismus“. Er betrachte sein Unternehmen als technologieorientiertes Start-up: „Wir bauen auf Erfahrungen auf, wir experimentieren, wir arbeiten extrem viel mit Daten“.
Wo denn Content Marketing mit Journalismus konkurriere, wo sei man besser als der Journalismus? Lohmeyer wollte auf diese Frage des Autors dieses Beitrags keine konkreten Beispiele nennen. Er erwähnte lediglich, dass etwa das von The Digitale mit einer Vollredaktion betriebene Fachportal ISPO.com bei bestimmten Themen um ein Vielfaches bessere Abrufzahlen als andere vergleichbare Fachangebote erziele. Den Nutzern sei es egal, ob es sich um Journalismus oder Content Marketing handle, erläuterte Lohmeyer.
Kodex für Content Marketing in Arbeit
„So bewegen wir uns in die Beliebigkeit“, mahnte Frühbrodt. Er forderte einen kritischeren Blick auf das Content Marketing, einen Artikel im aktuellen journalist kritisierte er als „Werbegeschichte“.
Zumindest wünsche er sich eine deutlichere Kennzeichnungspflicht für Inhalte, die durch so genannte Unternehmensjournalisten publiziert werden. Ein Negativbeispiel für mangelnde Kennzeichnung sei für ihn Media Markt, hierüber berichtete der PRReport. In einer Fachgruppe des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) arbeite man bereits an einem entsprechenden Kodex berichtete Sabine Wegele. Eine gute Nachricht hatte Lohmeyer noch für die Besucher: „Wir suchen händeringend Leute – Content Marketing kann die Miete zahlen“.
Text von Thomas Mrazek