Europa
Pressefreiheit weiter einschränken
Die Pressefreiheit darf in Europa weiter eingeschränkt werden. Ein schärferer Kurs gegen autokratische Tendenzen scheiterte am Widerstand von Polen und Ungarn.
Rechtsstaatsmechanismus - mit diesem technokratischen Begriff waren die Verteidiger der Grundrechte in die Verhandlungen der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel gestartet. Dahinter verbirgt sich die Absicht, die Finanzzuzwendungen an die Staaten von der Einhaltung der EU-Grundrechte abhängig zu machen. Ein gutes, ein politisch unverzichtbares Ziel. Viel zu lange hat Europa tatenlos zugesehen, wie zuerst Ungarn und kurz danach Polen die Grundrechte, vor allem die Pressefreiheit, immer weiter einschränkten. Das sollte künftig bestraft werden können - Stichwort: Rechtsstaatsmechanismus.
Dass Polen und Ungarn in den Brüsseler Verhandlungen dagegen Sturm laufen würden, war absehbar. Gänzlich verhindern konnten sie den Mechanismus jedoch nicht mehr. Am Ende kam es zu einem Kompromiss: Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit sollen nur dann geahndet werden, wenn sie die Verwendung von EU-Mitteln betreffen. Andere Verletzungen der Grundwerte, etwa die Einschränkung der Medien- und Meinungsfreiheit oder die Unterdrückung von Minderheiten, sind außen vor.
Was folgt daraus für die Journalisten in den autokratischen Ländern? Gar nichts. Die Pressefreiheit darf weiter unterdrückt werden. Europa hat eine Chance vertan. Es ging um nichts Geringeres als um das Fundament der Grundwerte, auf dem die Europäische Union steht. Es hat sich als ziemlich wacklig erwiesen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner