DJV-Media Hour
Nicht über Menschen sprechen, sondern mit ihnen
Media Hour: Qualität und Diversität hängen zusammen.
Die zweite Media Hour des Deutschen Journalisten-Verbands zeigte, wie sehr Diversität die journalistische Qualität steigert.
„Ich möchte journalistische Beiträge machen, die auch mein Onkel gern sehen will“, sagte der aus Syrien stammende NDR-Reporter Sulaiman Tadmory. Der studierte Filmemacher berichtete in der zweiten Auflage der DJV-Media Hour, wie Migrant*innen in Deutschland die Medienlandschaft erleben und welche Auswirkungen das auf ihren Umgang mit Medien hat.
Mit dem Titel „Falafel und Kartoffel – Wie divers ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk?“ hatte der Fachausschuss Chancengleichheit und Diversity des DJV zu einem Gespräch über die Chancen divers aufgestellter Redaktionen eingeladen. Ihre fachlichen und persönlichen Erfahrungen steuerten Nalan Sipar (MedyaN), Sulaiman Tadmory (NDR) und Ella Schindler (Neue Deutsche Medienmacher*innen) bei. Moderiert hat die Veranstaltung Doreen Huth, stellvertretende Vorsitzende des DJV Thüringen.
“86 Prozent der ARD-Berichte über die muslimische Community verbinden diese mit negativen Themen.” Das zeige eine Untersuchung des Netzwerks der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Dessen Vorsitzende Ella Schindler erläuterte in ihrem Impuls zum Start der Online-Veranstaltung, wie sehr sich damit eine ganze Gruppe von Menschen als vorverurteilt erleben muss. Die Journalistin mit russisch-ukrainischer Biografie erinnerte an den Auftrag der Medien, ein Informationsangebot für alle Menschen in Deutschland zu erstellen.
„Wir sprechen zu oft über Menschen, statt mit ihnen zu sprechen“, mahnte Sulaiman Tadmory. Das gelte nicht nur beim Thema Migration. In seinen Berichten zeigt der Videoreporter diese Schieflage immer wieder auf.
Die daraus resultierende Skepsis und Ablehnung dürfe man nicht mit fehlendem Interesse verwechseln, betonte Nalan Sipar. Seit etwa drei Jahren berichtet die Journalistin auf ihrem Youtube-Kanal in türkischer Sprache aus Deutschland. Ihr Erfolg beweist, wie groß das Interesse an gut recherchierten Inhalten und unabhängiger Berichterstattung ist. Ihr Ziel, irgendwann ein ARTE auf Türkisch zu erschaffen, verfolgt sie aktuell mit ihrem Start-up MedyaN. „Dreißig Prozent meiner Zuschauenden leben in der Türkei. Das sind Menschen, die sich für Deutschland interessieren und dankbar für das Angebot sind.“ Auch aus der türkischen Community in Deutschland erhalte sie immer wieder Dank und Zuspruch. „Die Menschen merken, ob du Berührungspunkte mit ihrer Gruppe hast, ob du weißt, worüber du berichtest.”
„Genau das ist doch Aufgabe des Journalismus”, sagte Sulaiman Tadmory, „sauber recherchieren und wissen, worüber wir sprechen." Solange Redaktionen sich nur einem kleinen, privilegierten Teil der Bevölkerung widmeten, sei es kaum verwunderlich, dass schiefe Bilder entstehen. „Je diverser Redaktionen aufgestellt sind, umso sensibler und besser bilden sie Themen ab”, berichtete er von den Erfahrungen aus seinem Team. Seine Redaktion zähle allerdings noch zu den Ausnahmen. „In manchen öffentlich-rechtlichen Redaktionen gibt es weder vor noch hinter der Kamera Menschen mit Migrationshintergrund.”
„Das muss sich auch ganz oben ändern”, waren sich alle an der Media Hour Beteiligten einig. So sollten sich Redaktionsleitungen offen und mit ehrlichem Interesse für saubere journalistische Arbeit einsetzen. Diskutiert wurden auch die Zugangsvoraussetzungen zu Volontariaten, etwa im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Oft seien die Anforderungen so hoch gestellt, dass nur eine bestimmte Gruppe deutschsprachig ausgebildeter Personen infrage komme. „Hier vergeben wir Chancen und Impulse für einen diversen Journalismus”, stellte Doreen Huth fest. „Diversität ist kein Must-have, kein modischer Trend. Sie gehört als fester Bestandteil in jede Ausbildung”, ergänzte Ella Schindler, die bei der Nürnberger Presse selbst Volontär*innen begleitet.
„Rund 27 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Darunter sind viele Zielgruppen, für die der öffentlich-rechtliche Rundfunk bisher viel zu wenig mediale Angebote macht.” Nach Ansicht von DJV-Vorstandsmitglied Jonathan Janoschka liegt darin eine Chance für journalistische Produkte, die die Vielfalt der Menschen ernstnehmen. „Dann erreichen wir künftig mehr Migrant*innen, die Medien in Deutschland bisher nicht auf dem Schirm haben.”
Ein Bericht von Mariana Friedrich und Harriet Langanke
Zusätzliche Einblicke bieten auch die Studien der Neuen deutschen Medienmacher*innen:
- https://neuemedienmacher.de/zahlen-fakten/diversitaet-im-journalismus/
- https://neuemedienmacher.de/aktuelles/beitrag/was-in-der-islam-berichterstattung-schief-laeuft/
- https://neuemedienmacher.de/zahlen-fakten/rundfunkraete/#c2505