Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

DJV-Media Hour

Nicht über Menschen sprechen, sondern mit ihnen

28.06.2024

Media Hour: Qualität und Diversität hängen zusammen.

Die zweite Media Hour des Deutschen Journalisten-Verbands zeigte, wie sehr Diversität die journalistische Qualität steigert.

„Ich möchte journalistische Beiträge machen, die auch mein Onkel gern sehen will“, sagte der aus Syrien stammende NDR-Reporter Sulaiman Tadmory. Der studierte Filmemacher berichtete in der zweiten Auflage der DJV-Media Hour, wie Migrant*innen in Deutschland die Medienlandschaft erleben und welche Auswirkungen das auf ihren Umgang mit Medien hat.
Mit dem Titel „Falafel und Kartoffel – Wie divers ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk?“ hatte der Fachausschuss Chancengleichheit und Diversity des DJV zu einem Gespräch über die Chancen divers aufgestellter Redaktionen eingeladen. Ihre fachlichen und persönlichen Erfahrungen steuerten Nalan Sipar (MedyaN), Sulaiman Tadmory (NDR) und Ella Schindler (Neue Deutsche Medienmacher*innen) bei. Moderiert hat die Veranstaltung Doreen Huth, stellvertretende Vorsitzende des DJV Thüringen.
“86 Prozent der ARD-Berichte über die muslimische Community verbinden diese mit negativen Themen.” Das zeige eine Untersuchung des Netzwerks der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Dessen Vorsitzende Ella Schindler erläuterte in ihrem Impuls zum Start der Online-Veranstaltung, wie sehr sich damit eine ganze Gruppe von Menschen als vorverurteilt erleben muss. Die Journalistin mit russisch-ukrainischer Biografie erinnerte an den Auftrag der Medien, ein Informationsangebot für alle Menschen in Deutschland zu erstellen.
„Wir sprechen zu oft über Menschen, statt mit ihnen zu sprechen“, mahnte Sulaiman Tadmory. Das gelte nicht nur beim Thema Migration. In seinen Berichten zeigt der Videoreporter diese Schieflage immer wieder auf.
Die daraus resultierende Skepsis und Ablehnung dürfe man nicht mit fehlendem Interesse verwechseln, betonte Nalan Sipar. Seit etwa drei Jahren berichtet die Journalistin auf ihrem Youtube-Kanal in türkischer Sprache aus Deutschland. Ihr Erfolg beweist, wie groß das Interesse an gut recherchierten Inhalten und unabhängiger Berichterstattung ist. Ihr Ziel, irgendwann ein ARTE auf Türkisch zu erschaffen, verfolgt sie aktuell mit ihrem Start-up MedyaN. „Dreißig Prozent meiner Zuschauenden leben in der Türkei. Das sind Menschen, die sich für Deutschland interessieren und dankbar für das Angebot sind.“ Auch aus der türkischen Community in Deutschland erhalte sie immer wieder Dank und Zuspruch. „Die Menschen merken, ob du Berührungspunkte mit ihrer Gruppe hast, ob du weißt, worüber du berichtest.”
„Genau das ist doch Aufgabe des Journalismus”, sagte Sulaiman Tadmory, „sauber recherchieren und wissen, worüber wir sprechen." Solange Redaktionen sich nur einem kleinen, privilegierten Teil der Bevölkerung widmeten, sei es kaum verwunderlich, dass schiefe Bilder entstehen. „Je diverser Redaktionen aufgestellt sind, umso sensibler und besser bilden sie Themen ab”, berichtete er von den Erfahrungen aus seinem Team. Seine Redaktion zähle allerdings noch zu den Ausnahmen. „In manchen öffentlich-rechtlichen Redaktionen gibt es weder vor noch hinter der Kamera Menschen mit Migrationshintergrund.”
„Das muss sich auch ganz oben ändern”, waren sich alle an der Media Hour Beteiligten einig. So sollten sich Redaktionsleitungen offen und mit ehrlichem Interesse für saubere journalistische Arbeit  einsetzen. Diskutiert wurden auch die Zugangsvoraussetzungen zu Volontariaten, etwa im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Oft seien die Anforderungen so hoch gestellt, dass nur eine bestimmte Gruppe deutschsprachig ausgebildeter Personen infrage komme. „Hier vergeben wir Chancen und Impulse für einen diversen Journalismus”, stellte Doreen Huth fest. „Diversität ist kein Must-have, kein modischer Trend. Sie gehört als fester Bestandteil in jede Ausbildung”, ergänzte Ella Schindler, die bei der Nürnberger Presse selbst Volontär*innen begleitet.
„Rund 27 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Darunter sind viele Zielgruppen, für die der öffentlich-rechtliche Rundfunk bisher viel zu wenig mediale Angebote macht.” Nach Ansicht von DJV-Vorstandsmitglied Jonathan Janoschka liegt darin eine Chance für journalistische Produkte, die die Vielfalt der Menschen ernstnehmen. „Dann erreichen wir künftig mehr Migrant*innen, die Medien in Deutschland bisher nicht auf dem Schirm haben.”
Ein Bericht von Mariana Friedrich und Harriet Langanke

Zusätzliche Einblicke bieten auch die Studien der Neuen deutschen Medienmacher*innen:

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr