RTL One
Neusprech
Wie die RTL-Manager die Umstrukturierungen und den Kahlschlag bei Gruner + Jahr begründen und erklären sollen, haben die Sprachakrobaten von RTL One nicht dem Zufall überlassen wollen, wie die Süddeutsche jetzt enthüllte.
Abends zu Hause im Redakteurshaushalt: "Du, Schatz, ich bin jetzt Teil eines intensiven Wandels. Die Arbeit geht unverändert weiter, aber heute habe ich Prozesssicherheit gewonnen. Wenn mir trotzdem der bereichsspezifische Abbau zu stark zusetzt, wende ich mich vertrauensvoll an das Health Team." So könnte die Mitteilung der drohenden Arbeitslosigkeit einer Redakteurin oder eines Redakteurs beim früheren Verlagshaus Gruner + Jahr lauten, wenn sich der Neusprech des RTL One-Managements bis in die Redaktionen durchsetzen würde.
Dass es einen Leitfaden für das Management gibt, der Formulierungen für die Gespräche und Konferenzen über den drohenden Kahlschlag bei G+J enthält, hat jetzt die Süddeutsche Zeitung enhüllt. Danach sind Begriffe wie Kündigung, Stellenabbau und Entlassungen unbedingt zu vermeiden. Stattdessen sollten Thomas Rabe und seine Führungskräfte von Synergien und Übergängen sprechen. Und natürlich die Stärkung der Kernmarken betonen. Ganz wichtig dabei: Wiederholungen müssen so oft ausgesprochen werden, bis die Botschaften angekommen sind.
Es scheint, dass die Sprachtüftler von RTL One George Orwells "1984" zu oft gelesen haben. Der Klassiker unter den Dystopien schildert eindrucksvoll, wie sich der größte Mist mit kreativ veränderter Sprache erklären und positiv drehen lässt. Schockierend, wie tief Bertelsmann gesunken ist.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner