Roboterjournalismus
Neue Wege zum Text
Welche Rolle übernehmen Bots und Software künftig beim Schreiben und Verteilen von journalistischen Texten? Zwei Unternehmen mit zwei unterschiedlichen Ansätzen präsentierten sich beim Panel zum Thema “Roboterjournalismus”.
Den “conversational tone” will Martin Hoffmann (@martinhoffmann) mit seiner App “Resi” im Journalismus etablieren. Das bedeutet, dass der Leser einen Text nicht von Anfang bis Ende lesen und dabei dem vom Autor erdachten roten Faden folgen muss - sondern selbst entscheiden kann, wann er etwas vertiefen möchte, eben wie in einem Gespräch.
Resi sieht daher auf den ersten Blick auch eher aus wie ein Messenger als wie eine News-App. Resi spricht den Leser direkt an, zum Beispiel so: “Guten Morgen, in Mexiko hat sich ein Erdbeben ereignet, 331 Menschen sind ums Leben gekommen.” Der Leser kann nun antworten, in dem er eine von zwei Schaltflächen auswählt - die eine sagt etwas in der Art wie “Erzähl mir mehr”, die andere “Was ist noch so passiert?”. So entspannt sich eine Art Gespräch zwischen Software und Nutzer - die Nachrichten werden in Häppchen aufgeteilt und in persönlicher Ansprache serviert.
Die Bindung zur Leserschaft ist bei Resi sehr wichtig
Martin Hoffmann zeigt und beschreibt das alles in einem Irrsinns-Tempo - dieser Mann hat ganz sicher noch viel vor. “In unserer App steckt keine künstliche Intelligenz”, erklärt er, “sondern eine echte.” Damit meint er, dass jeder Text-Baustein von einem Menschen geschrieben und über ein Content-Management-System in einen Entscheidungsbaum eingepflegt wurde.
Die persönliche Ansprache komme vor allem bei Menschen aus bildungsfernen Schichten gut an. Und die 1:1-Bindung zur Leserschaft sei ihm wichtig, “wichtiger als die Skalierung”, sagt Hoffmann. “Es bringt nichts, dem Nutzer einen menschlichen Dialog zu suggerieren, wenn ein Roboter dahinter steckt”, ist er überzeugt. Denn die Technik sei noch lange nicht so weit entwickelt, dass der Leser das nicht merken würde.
Wie aus Daten automatisch Texte werden
Saim Alkan (@saimalkan) hat dagegen ganz andere Pläne. Mit AX Semantics leitet er eine Firma, deren Software aus Rohdaten journalistische Texte schreiben kann. Er erklärt das Prinzip am Beispiel eines Wetterberichts. Hier lassen sich recht gut vorgefertigte Sätze verwenden - und die Sprache “ATML3” sorgt dafür, dass grammatikalische Regeln beachtet werden. Auch für Aktienanalysen eigne sich das gut, für Sportberichte bis sogar hin zu Groschenromanen, wie Alkan sagt. Alkan spielt mit dem Publikum “Bot or not” - die Zuschauer sollen entscheiden, ob ein Text von Alkans Software oder von einem Menschen geschrieben worden ist. Es ist erstaunlich, wie uneins sich das Publikum ist bei der Bewertung. Einige Roboter-Texte sind augenscheinlich sogar deutlich besser. Dabei gibt es aber ein wichtiges Prinzip: Die Firma liefert keine fertigen Texte, sondern nur eine Software, mit der der Journalist selbst arbeiten kann. So stellt es sich also eher als ein Werkzeug für Journalisten dar - und nicht als Konkurrenz.Mit einem Klick in 24 Sprachen publizieren
Im Gegensatz zu Martin Hoffmann hat Alkan dabei vor allem die Reichweite im Blick: “Medien können damit ihr Content-Angebot für Nischen erweitern”, sagt er. Und das muss nicht nur für deutschsprachige Länder gelten, denn die Software könne die Texte gleich in 24 Sprachen generieren. Er plädiert für einen Blick über den Tellerrand: “Es gibt nicht nur Deutschland, sondern Europa und die ganze Welt, wir produzieren nur einfach keine Texte auf Englisch, weil es zu teuer ist”. Wegen einer Erkrankung konnte Thomas Ross von IBM Business Consulting Services nicht am Panel teilnehmen.Text von Killian Haller