Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Roboterjournalismus

Neue Wege zum Text

28.09.2017

Welche Rolle übernehmen Bots und Software künftig beim Schreiben und Verteilen von journalistischen Texten? Zwei Unternehmen mit zwei unterschiedlichen Ansätzen präsentierten sich beim Panel zum Thema “Roboterjournalismus”.

Den “conversational tone” will Martin Hoffmann (@martinhoffmann) mit seiner App “Resi” im Journalismus etablieren. Das bedeutet, dass der Leser einen Text nicht von Anfang bis Ende lesen und dabei dem vom Autor erdachten roten Faden folgen muss - sondern selbst entscheiden kann, wann er etwas vertiefen möchte, eben wie in einem Gespräch.

Resi sieht daher auf den ersten Blick auch eher aus wie ein Messenger als wie eine News-App. Resi spricht den Leser direkt an, zum Beispiel so: “Guten Morgen, in Mexiko hat sich ein Erdbeben ereignet, 331 Menschen sind ums Leben gekommen.” Der Leser kann nun antworten, in dem er eine von zwei Schaltflächen auswählt - die eine sagt etwas in der Art wie “Erzähl mir mehr”, die andere “Was ist noch so passiert?”. So entspannt sich eine Art Gespräch zwischen Software und Nutzer - die Nachrichten werden in Häppchen aufgeteilt und in persönlicher Ansprache serviert.

Die Bindung zur Leserschaft ist bei Resi sehr wichtig

Martin Hoffmann zeigt und beschreibt das alles in einem Irrsinns-Tempo - dieser Mann hat ganz sicher noch viel vor. “In unserer App steckt keine künstliche Intelligenz”, erklärt er, “sondern eine echte.” Damit meint er, dass jeder Text-Baustein von einem Menschen geschrieben und über ein Content-Management-System in einen Entscheidungsbaum eingepflegt wurde.

Die persönliche Ansprache komme vor allem bei Menschen aus bildungsfernen Schichten gut an. Und die 1:1-Bindung zur Leserschaft sei ihm wichtig, “wichtiger als die Skalierung”, sagt Hoffmann. “Es bringt nichts, dem Nutzer einen menschlichen Dialog zu suggerieren, wenn ein Roboter dahinter steckt”, ist er überzeugt. Denn die Technik sei noch lange nicht so weit entwickelt, dass der Leser das nicht merken würde.

Wie aus Daten automatisch Texte werden

Saim Alkan (@saimalkan) hat dagegen ganz andere Pläne. Mit AX Semantics leitet er eine Firma, deren Software aus Rohdaten journalistische Texte schreiben kann. Er erklärt das Prinzip am Beispiel eines Wetterberichts. Hier lassen sich recht gut vorgefertigte Sätze verwenden - und die Sprache “ATML3” sorgt dafür, dass grammatikalische Regeln beachtet werden. Auch für Aktienanalysen eigne sich das gut, für Sportberichte bis sogar hin zu Groschenromanen, wie Alkan sagt. Alkan spielt mit dem Publikum “Bot or not” - die Zuschauer sollen entscheiden, ob ein Text von Alkans Software oder von einem Menschen geschrieben worden ist. Es ist erstaunlich, wie uneins sich das Publikum ist bei der Bewertung. Einige Roboter-Texte sind augenscheinlich sogar deutlich besser. Dabei gibt es aber ein wichtiges Prinzip: Die Firma liefert keine fertigen Texte, sondern nur eine Software, mit der der Journalist selbst arbeiten kann. So stellt es sich also eher als ein Werkzeug für Journalisten dar - und nicht als Konkurrenz.

Mit einem Klick in 24 Sprachen publizieren

Im Gegensatz zu Martin Hoffmann hat Alkan dabei vor allem die Reichweite im Blick: “Medien können damit ihr Content-Angebot für Nischen erweitern”, sagt er. Und das muss nicht nur für deutschsprachige Länder gelten, denn die Software könne die Texte gleich in 24 Sprachen generieren. Er plädiert für einen Blick über den Tellerrand: “Es gibt nicht nur Deutschland, sondern Europa und die ganze Welt, wir produzieren nur einfach keine Texte auf Englisch, weil es zu teuer ist”. Wegen einer Erkrankung konnte Thomas Ross von IBM Business Consulting Services nicht am Panel teilnehmen.

Text von Killian Haller

Online-Journalismus Start-ups Die letzten vier Meldungen der DJV-Startseite

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr