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Mit dem "persönlichen" Social-Media-Account im Einsatz für den Arbeit-/Auftraggeber?

16.12.2013

Erst gar nicht, jetzt total digital - aber mit jedem Mittel?


Es gibt sie längst, auch wenn immer noch in viel zu geringer Anzahl: Journalisten, die in Anstellung oder als Freie "Social-Media-Schichten" fahren. Twitterkanäle mit Infos bestücken, mit Followern interagieren, Trends aufspüren, Fragen beantworten und Stellung beziehen. Das geht nicht nur auf Twitter, sondern auch bei Facebook, GooglePlus oder bei Pinterest und vielen anderen. Wer auf Online-Schicht unterwegs ist, wird dabei in erster Linie den beruflichen Online-Account nutzen.

Doch auch der persönliche Account wird im beruflichen Rahmen genutzt. Ähnlich wie ein Kommentar in der Zeitung, der seine Glaubwürdigkeit gerade durch die persönliche Haltung gewinnt und deswegen den Namen des Kommentators nennt, kann der persönliche Social-Media-Account größeres Gewicht erhalten. Manche Nutzer folgen lieber Personen, deren Einschätzungen und Auswahl sie vertrauen, als neutralen "Ressort-Konten", deren Bearbeiter ständig wechseln.

Immer noch gibt es auch viele Journalisten, die ihren persönlichen Kanal aus Eigeninitiative betreiben, weil der Verlag oder Sender keinerlei Konzeption in der Sache hat oder Bürokratisierung und Verhinderung droht, wenn ein Social-Media-Konzept eingefordert würde. Um sich gegenüber ihren Arbeit-/Auftraggebern und Dritten abzusichern, heißt es dann beispielsweise in der "Bio" bei Twitter: "Beruflich bei ... tätig, hier privat unterwegs" oder "Hier wird privat gewittert". Da viele Journalisten sich freilich sehr mit dem Inhalt ihrer Arbeit identifizieren, heißt Privat-Account dann allerdings auch nur, dass in erster Linie über die Arbeit und ihr nahes Umfeld kommuniziert wird, und entsprechend Links zu den letzten (eigenen) Arbeitsergebnissen verbreitet werden.

Social Media sells: Die Seitenstatistiken mancher Seite zeigen eindrucksvoll, wie hoch der Anteil der Leser ist, die über Social-Media-Kanäle gewonnen werden können. In den USA ist die Bedeutung dieser "Privatwerbung" mittlerweile so groß, dass es schon einen ersten Twitterstreik gab, um Druck auf ein Verlagshaus auszuüben. Ohne ständige Bewerbung in Social Media verlieren Onlinemedien Besucher, so die Kalkulation.

Zunehmend setzen Verantwortliche in den deutschen Medien auf radikale Kursänderungen ins Digitale, ganz nach dem Vorbild des Axel-Springer-Verlags. Total digital, total Social Media, heißt es plötzlich. Ohne Klout ist out - jetzt soll jeder Social Media machen, nach dem freideutschen Motto, "Probieren geht über Studieren". Feste, Fest-Freie, komplett Freie dürfen nicht nur twittern, facebooken und raus auf GooglePlus und sonst noch alles, was sich Netzwerk nennt.

Mitunter ist von Fällen zu hören, in denen Redaktionsleitungen oder sogar Geschäftsführungen digitale Eigenwerbung ultimativ verlangen. Auf Anordnung mit dem persönlichen Account für den Arbeitgeber durch das Social-Media-Land, sonst droht Kündigung oder Auftragsentzug? Hier erscheinen zahlreiche Grenzen überschritten.

- Der persönliche Account, der systematisch beruflich eingesetzt wird, wird im Regelfall als medienrechtliches Angebot zu werten sein, das neben dem Impressum auch die Nennung eines Verantwortlichen nach dem Telemediengesetz und dem Rundfunkstaatsvertrag erfordert, mindestens aber einen Link auf die Homepage mit den entsprechenden Angaben. Wer das unterlässt, setzt sich Abmahnungen aus.

Darüber hinaus kann es auch wettbewerbswidrig sein, wenn die Redakteure oder freien Mitarbeiter verschleiern, dass sie Werbung für ihren Verlag oder Sender machen. Jenseits der rechtlichen Dimension riskiert ein Verlag oder Sender, der verdecktes berufliches Werben anordnet, eine heftige medienethische Debatte, die rufschädigend sein wird, und zwar für den gesamten Online-Auftritt, wenn nicht sogar das Komplettprogramm.

- Nicht für jeden Mitarbeiter eines Mediums mag es zweckmäßig sein, sich per Social Media in der Öffentlichkeit zu exponieren. So wie jeder Journalist eine Meinung hat, ist doch nicht jeder als Kommentator tätig, manche lehnen sogar direkt ab, als oberlehrerhafter Kommentator aufzutreten. Es gibt auch gute Gründe dafür: Interviewpartner, die sich "per Knopfdruck" ein (scheinbares) Bild vom Reporter machen und viel weniger mitteilen. Die Geheimpolizei im Ausland, die den Journalisten besser kennt als er selbst. Erst recht problematisch für Journalisten, die in Deutschland leben, aber im Ausland Verwandte haben: Ihre starke Position, verstärkt durch Social Media, mag für manchen Besuch bei den Verwandten sorgen.

Aber auch innerhalb eines Verlages oder Senders muss die (scheinbar) klare Positionierung in bestimmten Fragen nicht von Vorteil sein. Wer ohnehin auf der Abschussliste steht oder gemobbt wird, kann Vorgesetzten und übellaunigen Kollegen mit jedem Tweet neue Argumente liefern. Freiwilligkeit ist daher entscheidend für Social Media.

- Arbeit in Social Media sieht auf den ersten Blick nach großem Spaß und viel Leichtigkeit aus, aber ist am Ende des Tages auch nur Arbeit. Denn hinter einem einzigen Tweet stecken oft jede Menge Vorbereitung und Beobachtung, Kürzen und Würzen. Weil Tweets und andere Social-Media-Aktivitäten Reaktionen hervorrufen (sollen), lösen sie mitunter stundenlangen Folgeaufwand bis hin zu Korrekturläufen aus, wenn ein fehlerhafter Tweet produziert wurde und vielleicht nicht einmal mehr zurückgeholt werden kann.

Kurz: Social Media ist Arbeit und muss deswegen auch zu angemessenen Konditionen erfolgen. Was bedeutet: Social Media ist ganz normale Arbeitszeit und muss daher entlohnt bzw. auf die wöchentliche Arbeitszeit angerechnet werden. Freie Journalisten müssen entsprechend extra honoriert werden oder diese Aktivitäten auf ihre Normalschichten anrechnen können.

Offen und fair - statt verdeckt und überausgebeutet, sollte die Devise heißen. Social-Media-Land ist kein digitales Disneyland, in der die Verlegerfee machen kann, was sie will.


Michael Hirschler, hir@djv.de, @freie




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