Millionenstrafen gegen Medien
MeToo hätte es nie gegeben
Bestsellerautor Ferdinand von Schirach regt drastische Strafen gegen Medien an, wenn sie unbewiesene Behauptungen veröffentlichen, die das Leben Betroffener nachhaltig schädigen können. Wer würde noch kritisch berichten?
Dass Medien den Ruf von Menschen beschädigen können und dass die sogenannten "sozialen" Medien den Rest erledigen, ist eine Begleiterscheinung der Digitalisierung. Der schließlich vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochene Jörg Kachelmann musste das leidvoll erfahren. Und auch andere Prominente konnten sich nicht mehr von den Folgen der Rufschädigung frei machen, die ihnen eine falsche Berichterstattung eingebracht hatte. Das ist schlimm und nicht zu relativieren. Wahrscheinlich sind es diese Fälle, die den Schriftsteller Ferdinand von Schirach zu der im "Stern" geäußerten Forderung brachten, Medien müssten im Fall von unzutreffenden MeToo-Vorwürfen zu drastischen Strafen verurteilt werden.
Aus Sicht der Betroffenen ist das konsequent. Aus Sicht der Medien und des Journalismus ist es verheerend. Die ersten Veröffentlichungen über Harvey Weinstein und seine sexuellen Erpressungen gab es aufgrund von damals noch unbewiesenen Behauptungen betroffener Frauen. Schadensersatzansprüche gegen Medien lassen sich auch jetzt schon gerichtlich durchsetzen - in den USA wie auch in Deutschland. Und längst nicht jede Summe, die dann aufgerufen wird, lässt sich aus der Portokasse bezahlen. Aber diese Beträge sind Schirach offenbar zu gering.
Würde über jeder Redaktion, die brisante Informationen herausbringen will, das Damoklesschwert einer Millionenstrafe schweben, gäbe es kaum noch MeToo-Veröffentlichungen. Diesen Journalismus wollen wir nicht.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner