Reichelt-Affäre
MeToo? Aber doch nicht bei Springer
Dass Springers Reichelt-Affäre alles andere als kalter Kaffee ist, enthüllt die Sendung "Reschke Fernsehen" in der ARD. Springer-Chef Mathias Döpfner soll eine Gegenoffensive geplant haben.
Um Julian Reichelt war es ruhig geworden in letzter Zeit - zumindest im Zusammenhang mit seiner Vergangenheit als BILD-Chefredakteur und mit den gegen ihn erhobenen Missbrauchsvorwürfen. Und seinem früheren Chef Mathias Döpfner hat dessen Rückzug von der Spitze des Verlegerverbands BDZV ein paar schlagzeilenfreie Wochen beschert.
Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei, denn NDR-Journalistin Anja Reschke, bekannt für beharrliche Recherchen und festen Biss, wird in ihrer neuen Sendung "Reschke Fernsehen" im Ersten einen Scoop landen. 13 Frauen hat ihre Redaktion ausfindig gemacht, die vom früheren BILD-Chefredakteur angemacht und sexuell bedrängt worden sein sollen - jeweils im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Karriere. Darüber hinaus liegen der Redaktion eindeutige Textnachrichten vor, die das übergriffige Bild des Redaktionsbosses bestätigen.
Damit nicht genug: Laut Reschke Fernsehen hat Springer-Chef Döpfner aktiv darauf gedrungen, die Vorwürfe gegen Reichelt zu zerstreuen oder gar ins Gegenteil zu verkehren. Ein Dossier mit Hintergrundmaterial über die Tippgeberinnen soll in Arbeit gewesen sein, damit es an einflussreiche Journalisten verteilt werden konnte. Döpfners Absicht laut Reschke Fernsehen: "Mit #MeToo hat das Ganze nichts zu tun. Das muss für uns immer die Haltung sein."
Zu einem Zeitpunkt also, als Springer noch längst nicht alle Vorwürfe kannte und sie wahrscheinlich auch nicht bis zu Ende recherchiert hatte, wusste der Chef bereits, dass zwischen Julian Reichelt und Harvey Weinstein Welten lagen.
Man darf gespannt sein, was Anja Reschke noch bringt. Und vor allem, ob Springer danach endlich in eigener Sache ehrlich und transparent kommuniziert. Man darf doch noch träumen?
Ein Kommentar von Hendrik Zörner