Getötete Journalisten
Methodik mit Fragezeichen
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Hendrik Zörner
45 getötete Journalistinnen und Journalisten in diesem Jahr meldet Reporter ohne Grenzen. Wie kann das sein? Allein im Gaza-Krieg soll es doch schon 71 Todesfälle unter Medienschaffenden geben.
Keine Frage: 45 getötete Journalistinnen und Journalisten sind 45 zu viel. Das ist eine apodiktische Aussage, die kein "aber" im Anschluss verträgt. Fraglich ist zum einen, ob es legitim ist, den Rückgang gegenüber 2022 im Nachsatz zu vermelden. Das klingt nach einer positiven Entwicklung, von der bei 45 Todesfällen niemand sprechen sollte. Zum anderen muss sich Reporter ohne Grenzen (RSF), die diese Zahlen ermittelt haben, fragen lassen, weshalb die Organisation von 45 spricht, während die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) allein seit Beginn des Gaza-Konflikts 71 tote Medienschaffende gezählt hat.
Reporter ohne Grenzen zählt alljährlich diejenigen Todesfälle auf, die in direktem Zusammenhang mit der Ausübung journalistischer Tätigkeit stehen. Das heißt im Klartext: Der Journalist, der mit gezückter Kamera von Soldaten erschossen wird, findet Eingang in die Statistik. Sein Kollege, der wenige Meter entfernt im Schlaf Opfer eines Raketenangriffs wird, nicht. Das mag methodisch einwandfrei sein, aber ist es auch angemessen? Wird so die lebensgefährliche Arbeit von Reportern in Kriegsgebieten richtig dargestellt?
Auf jeden Fall gilt unabhängig von der RSF-Bilanz, dass der Gaza-Konflikt die meisten Todesopfer seit vielen Jahren unter Medienschaffenden findet. Ob "nur so" oder in Ausübung der journalistischen Tätigkeit ist angesichts des Gemetzels zweitrangig.