Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Unabhängigkeit bewahren

Meine fünf Forderungen an Friedrich Merz

15.08.2022

CDU-Chef Friedrich Merz veröffentlicht in einem Gastbeitrag in den Badischen Neuesten Nachrichten fünf Forderungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dabei könnten er und seine Partei sich auch mal an die eigene Nase fassen.

Die Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der Idee, den Rundfunk von der Regierung zu entkoppeln. So sollte der Rundfunkjournalismus auch in Deutschland einen Beitrag zur Demokratie leisten. Nur ein unabhängiger, finanziell gut ausgestatteter und reichweitenstarker Rundfunk kann als Teil der vierten Gewalt seine Kontrollfunktion gegenüber Politik und Staat erfüllen. Trotzdem erlebte der Rundfunkjournalismus in den letzten gut 70 Jahren bei Ausgestaltung und Kontrolle ständige Übergriffigkeiten von der Politik im Allgemeinen und der CDU im Besonderen. Von Adenauer bis Merz gehörte es für viele CDU-Vorsitzende zum guten Ton, kritische und fundierte Rundfunk-Berichterstattung als "einseitig" zu diffamieren. 16-mal musste das Bundesverfassungsgericht eingreifen. Beispielweise 2014, als es den ZDF-Staatsvertrag für ungültig erklärte. Vorausgegangen war ein fragwürdiger Eingriff von CDU/CSU-nahen Gremienmitgliedern bei der Besetzung von Spitzenposten beim ZDF. Seitdem dürfen Aufsichtsgremien wie Rundfunk- und Verwaltungsrat nur noch zu einem Drittel aus staatlichen und staatsnahen Mitgliedern bestehen. Deshalb will ich fünf wesentliche Aufgaben benennen, die aus meiner Sicht sofort angegangen werden müssen:

1. Rundfunkfreiheit respektieren
Die Verfehlungen einzelner Personen in Kontrollgremien und Intendanz beim RBB sind kein Grund, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor sich herzutreiben und infrage zu stellen. 40.000 Menschen machen jeden Tag als Festangestellte, feste Freie und freie Mitarbeiter bei Sendern und Produktionsgesellschaften einen guten Job. Und das bei normaler Vergütung. Im In- und Ausland. Bei Wind und Wetter, Krieg und Frieden. 365 Tage im Jahr. Rund um die Uhr.      

2. Grundgesetz achten
Es ist gerade mal ein Jahr her, dass ein CDU-Ministerpräsident wieder besseren Wissens beim Rundfunkbeitrag einen klaren Verfassungsbruch beging. Seine Weigerung, den Medienänderungsstaatvertrag zur Erhöhung des Beitrages in den Landtag zu geben, wurde ein halbes Jahr später vom Verfassungsgericht kassiert. Anstelle des Parlaments entschieden nun Verfassungsrichter*innen über die Erhöhung. Reiner Haseloff sprach anschließend von einem Demokratieproblem. Klar gibt es das. Allerdings aufseiten der CDU.

3. Erst denken, dann reden
Friedrich Merz
verlangt von den Sendern, sie sollen engere Kooperationen eingehen. Vor allem bei kostspieligen Sportevents. Gute Idee. So nutzen ARD und ZDF bei Olympia oder Fußballweltmeisterschaften bereits heute gemeinsame Technik- und Produktionsteams und teilen sich die redaktionelle Arbeit auf. Doppelberichterstattung gibt es nicht mehr. Blöd nur, dass sich das für Sender und Beitragszahler*innen nicht immer rechnet. Ausgerechnet eine CDU-geführte Bundesregierung änderte vor ein paar Jahren den Ordnungsrahmen, so dass sich die Sender bei kostensparenden Kooperationen gegenseitige Rechnungen stellen müssen. Inclusive Umsatzsteuer. Bei 19 Prozent werden oft die ganzen Synergien aufgefressen. So wird das nix mit Entlastungen der Beitragszahler, wenn die CDU die ganzen Einsparungen zum Staat umleitet.    

4. Bei der Wahrheit bleiben
Der letzte CDU-Politiker, der Gesinnungstests für Journalist*nnen einforderte, war Hans-Georg Maaßen. Dafür erntete er aus seinem Parteiumfeld fast mehr Kritik als aus der restlichen Gesellschaft. Maaßen wurde sogar zum Austritt aufgefordert. Jetzt zitiert Merz dieselbe Quelle wie Maaßen, eine angeblich repräsentative Umfrage, der zufolge 90 Prozent der Volontäre bei ARD und ZDF den Parteien SPD, Linkspartei und Grünen nahestehen sollen. Blöd nur, dass das Volontärs-Projekt nicht repräsentativ war. Auch wurde die Frage so nicht gestellt. Die Hälfte der Volontär*innen beantwortete den Fragebogen noch nicht mal. Trotzdem erinnert Merz an die Senderichtlinien und ermahnt die Sender, das breite Meinungsspektrum der Bevölkerung abzubilden, obwohl das die Sender bereits tun.

5. Geschlechtergerechten Sprachgebrauch achten
Lieber Herr Merz, Sie haben recht, Journalist*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben eine wichtige Vorbildfunktion für die Öffentlichkeit. Derer sind sie sich auch bewusst. Allerdings erwecken Sie den Eindruck, die Journalist*innen müssten sich ausschließlich an den Vorgaben des Rates für deutsche Rechtschreibung orientieren. Das ist unzutreffend. Das gebietet schon die Rundfunkfreiheit. Journalist*innen orientieren sich an der Lebenswirklichkeit, sie kommunizieren und formulieren so, dass sie verstanden werden. Und sie tun dies unter Einbeziehung eines respektvollen, geschlechtergerechten Sprachgebrauchs. Dass heute die meisten öffentlich-rechtlichen Sender die praktische Handhabung den einzelnen Redaktionen und/oder Moderator*innen überlassen, ist nur konsequent.
Ein Kommentar von Harald Stocker

Rundfunkanstalten DJV-Blog

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr