Jagdopfer Lindner?
Medienschelte geht immer
Foto: Bundesministerium der Finanzen
Ist FDP-Chef Christian Lindner ein Opfer der Medien? Diesen Eindruck vermittelt Gabor Steingart, Gründer von The Pioneer und Herausgeber von Steingarts Morning Briefing. Die Medien seien im Blutrausch, behauptet er.
Steingarts Medienschelte kommt zu dem Zeitpunkt heraus, da allerorten davon zu lesen ist, dass Christian Lindner Vaterfreuden entgegenblickt. Sachliche bis freundliche Berichte über den bald erwarteten Nachwuchs im Hause Lindner. Wie Journalisten das bei Prominenten so machen. Von Blutrausch jedenfalls keine Spur.
Gabor Steingart bezieht sich auch eher auf Formate wie die Sendung von Caren Miosga am Abend des 1. Dezember im Ersten. Miosga hat kritisch gefragt, hat gebohrt, hat nachgehakt, hat unterbrochen, wenn sie das Gefühl hatte, dass ihr Interviewgast abschweifen will. Zugegeben: Das ist nicht angenehm, wenn man weiß, dass die Sendung live ausgestrahlt wird und ein Millionenpublikum zuschaut. In der Analyse war denn auch zu lesen, dass Lindner aus der Defensive nicht herauskam. Daraus und aus dem Tenor der Berichterstattung über den FDP-Chef liest Steingart eine Treibjagd heraus und kritisiert, dass die Motive des ehemaligen Bundesfinanzministers für das Ende der Ampelkoalition keine Rolle spielten.
Steingart, selbst Medienprofi seit Jahrzehnten und mit allen Wassern gewaschen, übersieht dabei, dass nicht mehr das Ampel-Aus das Thema ist, sondern das Strategiepapier, mit dem seit Wochen das Ende der Koalition geplant worden sein soll. Zusätzlich Fahrt aufgenommen hat die Berichterstattung durch die Rücktritte des FDP-Generalsekretärs und des Geschäftsführers.
Selbstverständlich wollen Journalistinnen und Journalisten wissen, ob und wann der FDP-Chef wieviel gewusst hat über das, was in seiner Parteizentrale geplant wurde. Daran ändert auch seine flapsige Bemerkung "Wo ist die Nachricht" nichts.
Das alles müsste Steingart wissen. Seine Kollegenschelte riecht nach dem Versuch, Christian Lindner aus dem Visier der Interviewer zu nehmen. Ob ihm das gelingt? Hoffentlich nicht. Denn die Öffentlichkeit hat ein Recht auf umfassende Informationen über den Bruch der Ampelregierung. Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner