Medienjournalismus
Märchenstunde im Journalismus?
Einfach mal eine Spekulation raushauen, für die es keine Beweise gibt? Wäre das beispielsweise im Wirtschaftsjournalismus möglich? Keinesfalls, denn das kann empfindliche Strafen nach sich ziehen. Und im Medienjournalismus? Da schon eher - zum Schaden der ganzen Branche.
Das Standing des Medienjournalismus ist schlechter denn je. Die meisten Tageszeitungen haben ihre Medienseiten abgeschafft oder zu Programmrubriken für das tägliche Fernsehprogramm umgestaltet. Den Exodus konnten auch die digitalen Mediendienste nicht wettmachen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Infolgedessen hat die Bedeutung des gesamten Medienjournalismus immer weiter abgenommen. Gibt es mal ein echtes Aufregerthema wie etwa die Exzesse beim RBB unter Patricia Schlesinger, lässt sich das auch unter "Gesellschaft" oder "Feuilleton" rubrizieren.
Liegt es an diesem Bedeutungsverlust, dass offenbar auch die journalistische Qualität zumindest in einzelnen Fällen gelitten hat? Dass ein Medienfachdienst einfach mal eine Story raushaut, die ganz ohne Fakten auskommt? So jedenfalls ist es vor kurzem geschehen, als Kress über einen möglichen Verkauf von BILD durch Springer spekuliert hat. Dass es reine Spekulation war, hat jetzt Marvin Schade in Medieninsider nachgewiesen. Seine Informanten bei Springer und im Umfeld des Konzerns haben nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass Europas größtes Boulevardblatt zum Verkauf steht. Warum also eine solche Story? Um die Klick- und Abozahlen in die Höhe zu treiben?
Dem Ansehen des Journalismus schadet solch eine Spekulation massiv, zahlt sie doch auf das Vorurteil ein, man dürfe den Medien nicht glauben. Und davon ist nicht nur der Medienjournalismus betroffen, das schadet der gesamten Branche. So etwas brauchen wir nicht.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner