Holger Friedrich zum Zweiten
Leitmedien stehen Kopf
Holger Friedrich, Verleger der Berliner Zeitung und Informant des Springer-Konzerns, ist heute der Star der Medienseiten. Die Süddeutsche spricht von Pyrotechnik, die FAZ von Informantenverrat.
Gestern war an dieser Stelle die Rede von der mangelnden Lernfähigkeit des Verlegers Holger Friedrich, der sich wieder einmal in redaktionelle Belange der Berliner Zeitung eingemischt hat. Womit? Mit seiner Weitergabe der Information an Springer, Julian Reichelt habe ihm kompromittierendes Material angeboten, das jedoch von seiner Zeitung nicht veröffentlicht würde. Enthüllt hatte den Vorgang der Spiegel.
Heute geistert Friedrich durch die Medienseiten der Leitmedien. "Herr Döpfner, ich hab was für Sie", titelt Laura Hertreiter, Ressortleiterin der Süddeutschen Zeitung. Nach allen Regeln der Schreibkunst zieht sie Friedrich in ihrem langen Stück durch den Kakao. Kostprobe: "Dass sich Verleger Holger Friedrich in dieser heiklen Konstellation nun mit Reichelts vertraulichen Informationen an den konkurrierenden Verleger Döpfner wendet - das ist selbst für das inzwischen pyroerprobte Publikum dieser Inszenierung ein Kracher." Und weiter: "Holger Friedrich ist der Überzeugung, es gebe im Fall Springer 'keinen Aufklärungsbedarf' - diese Einschätzung dürfte seit dieser Woche als sein Alleinstellungsmerkmal gelten."
Ernsthaft geht Michael Hanfeld von der FAZ das Thema an. Er zitiert die Hinweise der Berliner Zeitung zum Whistleblowing, die in krassem Widerspruch zu Friedrichs Verhalten in Sachen Springer stehen. Mit Blick auf den Pressekodex wirft Hanfeld dem Verleger Informantenverrat vor. Denn im Pressekodex heißt es: "Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis."
Und was sagt der Verleger dazu? Nichts. Vielleicht hatte er vor lauter Lesen der vielen Geschichten über ihn noch keine Zeit zu reagieren. Oder das Rauschen im Blätterwald hat ihm die Sprache verschlagen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner