Journalismus
Klare Kante oder strikte Neutralität?
Die britische BBC verdonnert ihre Journalisten dazu, nicht an Veranstaltungen teilzunehmen, die kontrovers sein könnten. Gemeint sind die LGBT- und die Black Lives Matter-Bewegung. Zeitgleich sprechen immer mehr US-Medien Wahlempfehlungen aus. Wie passt das zusammen?
An Gemeinsamkeiten zwischen Großbritannien und den USA besteht kein Mangel: Das fängt mit der gemeinsamen Sprache an, geht über die journalistischen Formate weiter bis hin zu den Regierungschefs, die über die Grenzen ihrer Länder hinaus als Wirrköpfe gelten. So wirr, dass ein US-Medium nach dem anderen die Wahl von Joe Biden empfiehlt und vor einer zweiten Amtszeit von Donald Trump eindringlich warnt.
Klarer können sich Journalisten nicht positionieren. Ausgerechnet die unparteiischen Beobachter, die seit Watergate in den USA als vierte Säule des Staates gelten, sagen den Bürgern, wen sie wählen sollen? Das lässt sich nur durch das aufgeheizte politische Klima in dem Land verstehen - und wohl auch durch die Frontalangriffe von Donald Trump gegen die Medien, durch seine "Fake News"- Schmährufe, wenn er mit unbequemen Fakten konfrontiert wird, durch die Angst vieler Bürger davor, dass er in weiteren vier Jahren im Weißen Haus mit Macht dem Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit zuleibe rücken könnte.
Ganz anders in Großbritannien. Hier hat die BBC ihren Mitarbeitern jetzt die Teilnahme an Events untersagt, die kontrovers sein können. Konkret gemeint sind die Black Lives Matter-Proteste und die Lesben- und Schwulenbewegung, aber das Verbot ist dehnbar. BBC-Journalisten müssen politische Neutralität wahren, heißt es bei dem Sender.
Damit ist die BBC auf der Linie, die in Deutschland als der unverrückbare Grundsatz des Journalismus gilt: "sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten", wie Hanns Joachim Friedrichs sagte. Ob die US-Kollegen wieder dahin zurückkehren, wenn die Präsidentenwahl abgeschlossen ist? Das bleibt zu hoffen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner