Knebelbedingungen
Klare Kante gezeigt
Oft muss ein klarer Kurs gesteuert werden, um den Journalismus zu verteidigen. Zwei Zeitungen haben vergangene Woche in redaktionellen Entscheidungen mutig gehandelt, deutlich Haltung gezeigt. Der Lohn für diese Entscheidungen ist eine Stärkung der Glaubwürdigkeit, der härtesten Währung für Journalistinnen und Journalisten.
In der Mainzer Zitadelle, einem recht idyllischen Veranstaltungsort in der Reihe "Summer in the City" in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt, trat Rockröhre Beth Hart auf. Weniger idyllisch jedoch die Bedingungen für Fotografen. Wer eine Akkreditierung wollte, sollte 25 Bilder vom Auftritt zur Auswahl einreichen, die Agentur der Künstlerin wollte entscheiden, welche für die Berichterstattung genutzt werden sollten; die restlichen Fotos sollten uneingeschränkt für Agenturzwecke zur Verfügung stehen, berichtet die Allgemeine Zeitung in Mainz. Deren Chefredakteurin Jule Lumma aber machte da richtigerweise nicht mit: "Diese Bedingungen können und möchten wir nicht akzeptieren", schrieb die Mainzer Lokalchefin Julia Krentosch in einem Beitrag. Eine Agentur, die entscheidet, welche Bilder in der Zeitung zu sehen sind - es ist wichtig, dass Chefredakteur:innen in solchen Fällen Stoppschilder aufstellen, die Pressefreiheit verteidigen - auch wenn Leserinnen und Nutzer sicher gerne Fotos des Auftritts gesehen hätten. Nicht zuletzt wird so auch ein Zeichen für Arbeitsbedingungen der Fotograf:innen gesetzt, die leider oft genug miserabel sind.
Ein zweites Beispiel liefert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Am 19. Juli empfing der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die F.A.S. zum Interview, wie die Zeitung berichtet. Linnemann habe auf die kritischen Fragen, etwa zu Asyl, EU-Verträgen und Menschenrechten, den Journalisten "sehr weit gehende Antworten" geliefert, wie die F.A.S. schreibt. Allerdings: Bei der Autorisierung des Wortlauts wurden im Konrad-Adenauer-Haus "zentrale Passagen" dann "schwerwiegend verändert". "Von der ursprünglichen Klarheit konnte die Redaktion wenig wiederfinden", heißt es. Sie verzichtete darauf, das Interview zu drucken. Richtigerweise. Es darf nicht angehen, dass Politikerinnen und Politiker Journalist:innen für dumm verkaufen und meinen, ihre Aufgabe wäre es, Parteipropaganda zu verbreiten. Ihre Aufgabe ist es eben, kritische Fragen zu stellen. Wenn ein Politiker diesen nicht gewachsen ist, sagt das mehr über den Politiker aus, als dieser vielleicht wollte. Im Nachhinein dann aber die Wahrheit verdrehen wollen, sagt noch mehr aus. Gut, dass die Redaktion auch hier Haltung gezeigt hat.
Diese beiden Fälle stehen nicht alleine da. Ähnliche Ereignisse gab es bereits und wird es wieder geben. Sie zeigen aber, dass die Pressefreiheit zwar verbrieft ist, sie aber mit redaktionellen Entscheidungen im Alltag stets aufs neue verteidigt werden muss. Gut, wenn dabei klare Kante gezeigt wird - immerhin werden auch viele Kolleg:innen auf diese Fälle schauen und sich hoffentlich daran orientieren.
Ein Kommentar von Mika Beuster