Künstliche Intelliganz
KI, Heilsbringer des Journalismus?
Wie ein Phönix aus der Asche steigen könne der Journalismus dank künstlicher Intelligenz, fantasiert Springer-Chef Mathias Döpfner. Wie bei allen angeblichen Heilsbringern ist eine gesunde Portion Skepsis angesagt.
Hat Mathias Döpfner seinen Meinungsbeitrag in der "Welt" von einer KI schreiben lassen? Das würde einiges erklären. Ein entsprechender Transparenzhinweis fehlt allerdings. Neben vielen Allgemeinplätzen zu Journalismus, Urheberrecht und KI, denen man durchaus zustimmen kann, beschreibt Döpfner künstliche Intelligenz als die Rettung des Journalismus. In seinem Schwarzweiß-Denken gibt es nur die Wiedergeburt des Journalismus als "Phoenix aus der Asche" – oder "nur Asche" als ultimative Warnung an alle, die KI vielleicht nicht ganz so unkritisch gegenüberstehen wie er.
Das Problem: Döpfner scheint das komplexe Thema künstliche Intelligenz und "Large Language Models" nicht ganz verstanden zu haben, wenn er schreibt: "ChatGPT und Bard sind Antwortmaschinen. Auf fast alles haben sie beeindruckend intelligente Antworten." Wäre er mal am Samstag wie die anderen ca. 140 Teilnehmer:innen zu Besser Online gekommen – er hätte viel über KI lernen können.
Schon gleich nach dem Hören der Keynote "Die künstlich-intelligente Beschleunigung des Journalismus?" von Prof. Dr. Christian Stöcker hätte er seinen Text ziemlich sicher nicht mehr so geschrieben. Gleich am Anfang stellt er in einer Demonstration der Arbeitsweise von ChatGPT klar: "Dieses Sprachproduktionssystem weiß gar nichts." und später: "Die Fähigkeit zu sagen ‚Ich weiß es nicht.‘ fehlt diesen Systemen leider." Echte Intelligenz sieht anders aus.
Döpfner sieht in der Zukunft KI-basierte Chefredakteure als Avatare und Videomoderatoren als Bots, schreibt: "KI wird viele Elemente der traditionellen Redaktionsabläufe unterstützen und Schritt für Schritt ersetzen." Kritikern dieser Entwicklung wirft er Kulturpessimismus, Panik und den Wunsch, Neuerungen aufhalten zu können, vor. Aber gerade eine solch disruptive Technologie wie KI, die so viele Bereiche der Gesellschaft tiefgreifend betrifft, muss intensiv diskutiert und kritisch begleitet werden.
Blinde Technikgläubigkeit ist brandgefährlich. Prof. Stöcker hat völlig recht, wenn er sagt: "Vertrauen ist unsere wichtigste Währung. Die Abgrenzung zwischen Journalismus und dem Rest des Internets muss sein, dass Journalismus Methoden anwendet, die dafür sorgen, dass das stimmt, was da steht. In einer Welt, in der exponentiell wachsender Bullshit zum Alltag gehören wird, ist unser USP, keinen Bullshit zu produzieren." – und warnt: "Wir senken die Kosten und riskieren damit noch mehr Bullshit und alles andere bleibt gleich, das ist auf jeden Fall der falsche Weg."
Vielleicht lässt Döpfner sich das Thema besser noch mal von jemand anderem als ChatGPT, Bard & Co. erklären. Besser Online 2023 wäre eine gute Gelegenheit gewesen.
Ein Kommentar von Paul Eschenhagen