Charlie Hebdo-Prozess
Keine Spur von Reue
Heute werden die Urteile der Pariser Justiz gegen die mutmaßlichen Helfershelfer der Attentäter auf die Redaktion von Charlie Hebdo erwartet. Die Angeklagten bestreiten ihre Schuld.
Mehr als 50 Verhandlungstage hat das Sondergericht für Terrorfälle aufgewendet, um den Anschlag auf die Redaktion der Zeitschrift Charlie Hebdo vor fast sechs Jahren und den kurz darauf erfolgten Angriff auf einen jüdischen Supermarkt in Paris aufzuklären. Vor Gericht stehen 11 Angeklagte, die die grausamen Morde erst möglich gemacht haben sollen. Die Charlie Hebdo-Attentäter sind tot, können nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Ihre mutmaßlichen Unterstützer ließen bisher nicht mal Spuren von Schuldgefühl oder Reue erkennen. Im Gegenteil: Sie beteuern ihre Unschuld, geben vor, von geplanten Anschlägen nichts gewusst zu haben. Dass ihnen das Gericht das abkauft, gilt als unwahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft fordert Freiheitsstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich.
Das Interesse an dem Prozess ist gigantisch, in Frankreich wie international. Der Anschlag auf Charlie Hebdo im Januar 2015 kostete 12 Menschen das Leben. So viele Journalisten sind in einer westlichen Demokratie noch nie auf einen Schlag ums Leben gekommen. Dass eine ganze Redaktion hingerichtet werden sollte, weil sie das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit ausübte und damit islamistischen Fanatikern ein Dorn im Auge war, galt bis dahin als unvorstellbar. Entsprechend groß war der Schock. "Je suis Charlie" lautete der Solidaritätsslogan, hinter dem sich weltweit Trauernde versammelten. Vor französische Botschaften in den Hauptstädten wurden Blumen niedergelegt, wurden Mahnwachen abgehalten. Die Trauer war groß, nicht nur unter Journalisten.
Wenn heute die Urteile gesprochen werden, ist die juristische Aufarbeitung der Anschläge abgeschlossen. Die Wunden sind damit nicht verschlossen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner